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Heimat bist Du großer Söhne und Töchter

Die Musik, dich ich für mein Baustück gewählt habe, stammt aus einer Aufnahme des Neujahrskonzerts 2003 der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt. Egal, wo ich am 1 Jänner war, wenn ich die Klänge des Walzers an der schönen blauen Donau hörte, fühlte ich mich zu Hause. Daheim!

Ich bin auf dieses Thema gestoßen im Rahmen der letzten Nationalratswahlen. Da tauchte ein Plakat der FPÖ auf, sie sei „die Heimatpartei“. Gleich beim ersten Mal ist mir dieser Ausspruch negativ aufgefallen. Wenn die FPÖ die Heimat vertritt, sollte das heißen, dass alle anderen nicht die Heimat vertreten?

Will ich die gleiche Heimat wie die FPÖ haben?

Zunächst habe ich mich gefragt, was Heimat für mich eigentlich bedeutet? Und warum der Begriff Heimat für mich einen schalen Beigeschmack hat. Da fielen mir zunächst Heimatfilme ein, Alpenglühen, Liebesromanzen, Förster, die Wilderer jagen, Alpenbäche, naja Sisi usw.

Wie auch immer, ich begann über den Begriff Heimat nachzudenken und danach auch zu recherchieren.

Das erste was mir in den Sinn kam, war die Bundeshymne (Text Paula Preradovic).

Ursprünglich „Heimat bist Du großer Söhne“! seit 2011 umgewandelt in: „Heimat bist du großer Töchter und Söhne“.

Die Bundeshymne ist eines unserer Staatssymbole. Wer sie „verächtlich macht oder sonst herabwürdigt“, macht sich nach § 248 StGB wegen „Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole“ strafbar. Somit sind auch der Text der Bundeshymne und der Begriff Heimat schützenswert.

Kleiner Exkurs zur Melodie der Bundeshymne, die sich aus dem „Bundeslied“ ableiten soll:

Neunzehn Tage vor seinem Tod soll Wolfgang Amadeus Mozart, Mitglied der Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“, mit der Freimaurerkantate sein letztes vollendetes Werk geschrieben haben. Am 14. November 1792 brachte der Buchdrucker Joseph Hraschansky in Wien die Partitur in zwei Varianten heraus. Einem Teil der Gesamtauflage war das später sehr bekannte „Kettenlied“ mit dem Text Lasst uns mit geschlungen Händen beigebunden. Der Titel lehnt sich daran, dass die Freimaurer ihre Versammlungen damit beendeten, dass sie das Lied mit verschlungenen Händen als Zeichen ihrer Gemeinschaft sangen.

Spätestens seit den 1960er Jahren wird von Musikforschern die Zuschreibung des als „Bundeslied“ bekannt gewordenen „Kettenliedes“ an Mozart bezweifelt. Nach den Erkenntnissen führender Musikwissenschafter gab es über Jahrzehnte hinweg die These, dass das Bundeslied von „Claviermeister“ Johann Baptist Holzer stamme, einem Logenbruder der Wiener FreimaurerlogeZur wahren Eintracht“. Neuere Forschungen ergaben hingegen, dass der Komponist Paul Wranitzky, Konzertmeister der Wiener Hofoper am Kärntnertor, gleichfalls Logenbruder, aller Wahrscheinlichkeit nach der Urheber dieser Melodie war.

Zusammenfassend dürfen wir feststellen, dass einige Freimaurer an der Melodie unserer Bundeshymne mitgewirkt haben.

Kehren wir aber zum Thema zurück:

Da gab es 2018 einen ideologischen Disput der deutschen Grünen mit der AfD, wer die Heimat tatsächlich vertreten darf und für sich diesen Begriff in Anspruch nimmt.

Und da fällt mir ein, dass unser Ritual vorsieht, nach der Rezeption an der Tafel Toasts auf die Königliche Kunst, auf die Frauen und auf das Vaterland und sein Staatsoberhaupt (siehe Intern. Lexikon der FM unter dem Begriff Vaterland) auszubringen. Somit kennen wir den Begriff der Heimat in der Freimaurerei nicht direkt, sondern nur in Verbindung mit dem Vaterland.

Verwirrung machte sich breit.

Also habe ich versucht, mich systematisch dem Thema „Was bedeutet Heimat?“ zu nähern. Und welchen Konsequenzen hat es, wenn Heimat definiert wird und alles andere und alle anderen, die nicht dazugehören, daher nicht einer Heimat angehören?

Versuch einer Begriffsbestimmung

Zunächst war ich sehr überrascht, wieviel Dissertationen und Habilitationen zum Thema Heimat zu finden sind. Unter anderem die Dissertation von Andrea Bastian „Der Heimat-Begriff“, Tübingen 1995.

Sie führt darin aus, dass der ursprüngliche Begriff erstmals im 15. Jhdt. nachweisbar ist und damit Grundbesitz, Gut, Anwesen gemeint war. Die Weiterentwicklung von Haus, Heim zu Heimat oder englisch „home“.

Definition Heimat im Brockhaus: „Heimat ist zunächst auf einen Ort (auch als Landschaft verstanden) bezogen“.

Im Meyers Enzyklopädischen Lexikon finden wir zu Heimat: „Heimat definiert subjektiv von einzelnen Menschen oder kollektiv von Gruppen, Stämmen, Völkern, Nationen erlebte territoriale Einheit, zu der ein Gefühl besonders enger Verbundenheit besteht“.

Das Erste, das bei all den Annäherungen zu der Begriffsbestimmungen Heimat auffällt, ist, dass es sich immer um eine subjektive Wahrnehmung handelt. Heimat kann daher nicht als objektiver, allgemeingültiger Begriff festgemacht werden, sondern ist für jeden individuell unterschiedlich. Tatsächlich definieren wir mit dem Begriff Heimatgefühl, was für jeden Einzelnen Heimat bedeutet.

Es ist somit nicht einfach, den Begriff Heimat exakt zu deuten, so ähnlich wie es Augustinus in seinen Betrachtungen über das Problem der Zeit gegangen sein muss: Solange mich niemand danach fragt, ist es mir als wüsste ich es, fragt man mich aber und soll ich es erklären, dann weiß ich es nicht mehr“.

Es geht grundsätzlich um eine subjektive Wahrnehmung – das Heimatgefühl. Was vermittelt uns diesen Eindruck:

  • Geruch auftauender Erde im Vorfrühling, Geruch des Wachses eines frisch eingelassenen Fußbodens
  • Anblick eines Gegenstandes oder Gebäude
  • Hören einer bestimmten Melodie oder einer Stimme
  • Bestimmter Wohnort
  • Nahestehende, vertraute Menschen
  • Regelmäßige, wiederkehrende Feste

Der gemeinsame Nenner ist das Gefühl der Vertrautheit, Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung und Geborgenheit.

Indem man sich etwas vertraut macht, sei es einen bestimmten Raum (Landschaft/Ort/Elternhaus, in dem heranwachsende Individuen sich Winkel für Winkel vertraut machen) oder einen Menschen, verleiht man ihm Einzigartigkeit und darin ist der Kern des individuellen Heimatgefühles begründet. (Zitat Andrea Bastian)

K. Weigelt in seinem Artikel 1984 zum Thema Heimat (erschienen in den“ Studien zur politischen Bildung“) führt aus: „Heimat ist die Erfahrung, als Mensch angenommen zu sein…, irgendwohin zu gehören, wo man willkommen ist, wo man geliebt und geachtet wird… Geborgenheit kann es nur geben, wo der Mensch in dieser Weise angenommen und sich damit auch in seiner Würde geachtet weiß“.

Konrad Lorenz beschreibt den Zusammenhang von Sicherheitsgefühl und Heimat so: „Wir alle unterschätzen, wie sehr uns die Angst im Nacken sitzt und wie sehr wir uns nach Sicherheit sehnen! Heimatgefühl ist ein qualitativ eigenartiges Lustgefühl, das jeder kennt und das man empfindet, wenn man etwas sehr Vertrautes wiedersieht. Daraus entsteht ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit. Man fühlt sich zu Hause“.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden: Heimat ist nur subjektiv definierbar; Heimat ist ein Gefühl, das jeder mit Sicherheit, Vertrautheit, Zugehörigkeit, Anerkennung und Geborgenheit identifiziert.

Ich habe Freunde befragt, was sie spontan zum Begriff Heimat sagen und was Heimat für sie ist.

Viele bezeichnen zunächst das Land aus dem sie stammen, als ihre Heimat. Diesen geographischen Begriff verwendet wohl die Textstelle in unserer Bundeshymne, denn gemeint ist sicher damit die Republik Österreich.

Es gibt daher eine geographische Unterscheidung, die je nach Individuum sehr unterschiedlich ausfällt. Interessanterweise habe ich nur eine Person getroffen, die Europa als ihre Heimat genannt hat…

Gebräuche, Traditionen, Geschmack eines bestimmten Gerichtes oder der Duft lösen heimatliche Gefühle aus. Das heißt, dass wir in unserer Sozialisierung Vertrautes, Sicheres und Geborgenes später dann mit dem Heimatbegriff assoziieren.

Wenn nun von außen suggeriert wird, was für eine bestimmte Gruppe Heimat ist, wird damit auch sehr schnell klar, dass alles was sich außerhalb befindet, möglicherweise als Bedrohung empfunden werden könnte.

Interessant ist, dass dabei Heimat wieder nicht identifiziert wird. Zunächst wird es wohl die Zugehörigkeit zu einem Staat oder vielleicht auch einer Gruppe mit bestimmten Merkmalen sein. Die Angehörigen dieses Staates oder dieser Gruppe genießen bestimmte Vorrechte (aktives/passives Wahlrecht, Sozialleistungen, Reisepass usw.). Offenbar müssen die Rechte dieser Gruppe vor irgendwas geschützt werden?!

Das Territorium Heimat hat offenbar immer auch – bei Mensch und Tier- mit „Überleben“ zu tun, zumindest gewährt die Rückkehr auf ein eigenes oder gemeinsames Territorium Sicherheit und Entspannung.

Aber was bedeutet das für alle diejenigen, die ihr Land verlassen haben? Vielleicht für die Ausbildung, den Job, die Liebe, wegen wirtschaftlicher Notwendigkeit oder Gefahr für ihr Leben und ihrer Familien? Wir erleben seit einigen Jahren „Völkerwanderungen des 20./21. Jahrhunderts“ aus mannigfachen Gründen. Alle diese Menschen, die ihr vertrautes Territorium verlassen haben und in ein neues, anderes Land gezogen sind, haben dieses Gefühl der Sicherheit/Vertrautheit/ Geborgenheit nicht mehr. Teilweise können und gehen sie auch zurück, teilweise wollen sie zurück, können aber nicht. Es gibt sehr viele Gründe, warum Menschen ihre Heimat auf Dauer verlassen.

Zum Teil brauchen wir diese Menschen als Arbeitskräfte oder sie sind Teil unser Familien geworden, weil sie eingeheiratet haben oder schlicht sehr gute Freunde oder Nachbarn sind.

Alle haben das gleiche Recht auf ihr Heimatgefühl, wie ich es für mich in Anspruch nehme. Oder nicht? Natürlich im Rahmen unserer gesetzlichen Bestimmungen und unserer Gebräuche/Kultur und nicht zuletzt unter Respektierung der Freiheit der Anderen.

Schwester Anita hat mich auf ein beindruckendes Buch zu diesem Thema hingewiesen. Isolde Charim: „Ich und die Anderen“.

Klappentext: „Keiner kann heute seine Kultur….Debatte um religiöse Zeichen.“

In ihrem Buch unterscheidet Charim (sehr vereinfacht) drei unterschiedliche Phasen des Individualismus.

Die erste Phase wird von den großen Verbänden wie Staat, Religion usw. geprägt. Es genügt daher, bürgerlich oder christlich zu sein oder auch nur Österreicher, um dieser/diesen Gruppen anzugehören. Der Mensch wurde quasi hineingeboren und musste sich oder die Gruppe nicht in Frage stellen. Die fortschreitende Pluralisierung der Lebensformen brachte es mit sich, dass neue Gruppen auftauchten mit anderen Merkmalen. Es war daher eine Entscheidung einer dieser Gruppen angehören zu wollen (Beispiel Homosexualität, Frauenbewegung und anderen Minderheitenbewegungen). Hier spricht Charim vom zweiten Individualismus. Die Pluralisierung der Bevölkerung bedeutet einen dritten Individualismus. Alle drei Formen bestehen heute nebeneinander.

Sehr vereinfacht dargestellt bedeutet es, dass im 19. und 20. Jahrhundert es relativ einfach war, jeden Einzelnen einer bestimmten Gruppe zuzuordnen, und es auch dem Individuum einfach war, sich eine bestimmte Partei, Religion oder Lebensform zu wählen oder auch nur zu leben. Durch die fortschreitende Pluralisierung haben sich alle diese alten Grenzen, Regeln, Gesetze verändert und der Einzelne müsste für sich definieren, was und wer er/sie ist! Was ungemein komplexer ist, noch dazu, wo die Einflüsse durch Informationen zu allen Bereichen eine schier unendliche Anzahl an Möglichkeiten bietet.

Fixe Zuordnungen, klare Regeln lösen sich auf! Zugunsten eines riesigen Angebotes an möglichen Denkrichtungen, Lebensformen, Philosophien und vieles mehr.

Zurückkommend auf das eingangs erwähnte Heimatgefühl als Sozialisierung, Vertrautheit, Sicherheit. Wie kann in diesem gesellschaftlichen Umbruch ein Gefühl von Heimat entstehen? Oder können neue Heimaten kreiert werden? Die deines Ursprungs und die deines Aufenthaltes/Wohnsitz?

Und so wird es nicht nur eine Heimat geben. Nicht nur für uns, aber auch für jeden, der seine ursprüngliche Heimat verlässt, oder dessen Eltern diese verlassen haben, aber heute noch engste Beziehungen pflegen.

Pluralisierung in diesem Sinn bringt Freiheit. Und eine Gesellschaft, Gruppe oder Land/Nation muss sich davor nicht schützen, denn es droht keine Gefahr, sondern ist eine Bereicherung.

Ich denke, wir sollten sensibel reagieren, wenn bestimmte Gruppen uns suggerieren wollen, was unsere Heimat sein sollte.

Insbesondere als Freimaurer, die wir uns den Gedanke der Aufklärung verschrieben haben (Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit), sollten wir achtsam umgehen, wenn bestimmte Organisationen, Gruppen oder sonst wer beginnt zu definieren, wer dazugehören darf und unter unserem Schutz steht und wer draußen bleiben soll.

Auch wir FM prüfen eingehend, wen wir in unsere Loge aufnehmen oder nicht. Wir machen Interviews, berichten und stimmen ab. Ist daher die Logos für unsere Gruppe die Heimat? Ja sicher, die Gesichter sind uns vertraut, wir fühlen uns anerkannt und sicher. Aber trotzdem reisen wir, besuchen andere Obödienzen und andere Logen. Für uns ist Reisen zu anderen Logen sehr positiv und erweitert den Horizont und unsere Sichtweisen auf unsere Rituale und vieles mehr.

Wenn Heimat nicht der verkitschte Försterfilm ist, sondern ein ehrliches, persönliches Gefühl, das Wohlgefühl vermittelt, dann soll es jedem unbenommen sein, sich daran zu erfreuen.

Wir sollten jedoch sehr vorsichtig sein, wenn bestimmte Interessvertreter plötzlich einen unhinterfragten Heimatbegriff verwenden, um sich von anderen abzugrenzen.

Die Zehn Gebote


Die Idee zu diesem Baustück, kam mir in der Folge eines sehr berührenden und aufwühlenden Theaterbesuches im Volkstheater. Das Stück, das ich gesehen hatte, war „Die Zehn Gebote“ nach den Filmen von Krysztof Kieslowski.

Ich verfolgte die Szenen und versuchte, dabei immer wieder das jeweilige Gebot zu formulieren, auf dass sich die Szene bezog.

Und das für mich Erschreckende war, dass ich nicht mehr in der Lage war, die Zehn Gebote zu formulieren!

Ich zitiere aus dem Programmheft:

„Von den zehn Geboten ist in dieser Welt keine Rede. Zwar ist die katholische Kirche mit ihren Ritualen gut präsent, bei der individuellen Krisenbewältigung bleibt sie jedoch unsichtbar. Die fällt auch ohne biblische Vorschriften schwer genug.

„Diebstahl, Ehebruch, Besitzgier, Falschaussage, Mord … In jeder der 10 Geschichten vom wahren Leben, die KK vor uns aufblättert, wird eins der biblischen zehn Gebote folgenschwer übertreten – und sei es ein so unscheinbar harmloses wie das Heiligen des Feiertages. Dabei sind die Gebote selten ausgesprochen und niemandem bewusst. Regie führt immer der Zufall, in tragischen wie in komischen Situationen.

Kieslowski zeigt, wie schwer es ist, in einer Welt, in der Gott tot ist und die Ideologien am Ende, eigene Maßstäbe zu entwickeln.“ (Zitatende)

Mich ließ das Thema der „Zehn Gebote“ seitdem nicht mehr los. Erstens musste ich feststellen, dass es mir schwerfiel die zehn Gebote zu formulieren. Wann hatte ich mich das letzte Mal damit auseinander gesetzt? In der Volksschule lernten wir im Religionsunterricht die „Zehn Gebote“ und zeichneten etwas dazu. Vermutlich irgendwann um die Erstkommunion herum. Denn da müssen diese kindlichen Wesen mit 8 Jahren dann zur Beichte und ihre Sünden bereuen, damit sie „gereinigt“ die 1. Kommunion empfangen dürfen.

Trotz intensiven Nachdenkens fiel mir kein späterer Zeitpunkt ein, wo ich mich persönlich mit den „Zehn Geboten“ auseinandergesetzt hätte.

„Die Zehn Gebote“, auch zehn Worte oder Dekalog sind die Grundlage des christlichen Glaubens. Sie sind die direkte Rede Gottes an sein Volk formuliert und fassen seinen Willen für das Verhalten ihm und den Mitmenschen gegenüber zusammen. Im Judentum sowie im Christentum habe sie zentralen Rang für die theologische Ethik sowie die Kirchen -und Kulturgeschichte Europas mitgeprägt.

Wenn „Die Zehn Gebote“ diesen Stellenwert haben, warum sind sie in unserem Leben so wenig präsent? Wie aktuell und passend können diese zehnGebote heute für uns sein?

Und tatsächlich bin ich auf sehr viele Neuformulierung oder Anlehnungen an die „Die Zehn Gebote“ gestoßen, die den Versuch unternommen haben, die moralischen Ge -und Verbote auf die heutige Zeit zu adaptieren.

Ich habe daher mein BS in 4 Teile gegliedert:

  1. Die klassischen zehn Gebote
  2. Gebots- und Verbotsgesellschaft
  3. Die alternativen Gebote
  4. Die zehn Gebote der FM
  1. „Die Zehn Gebote“ im christlichen evangelischen und testamentarischen Sinn

Hut ab vor jedem/jeder der „Die Zehn Gebote“ zitieren kann. Wobei jetzt noch dazukäme zu klären, welche Fassung der „Zehn Gebote“ (aus welcher Zeit und welchem religiösen Umfeld).

Ich zitiere Erzdiözese Wien:

  1. Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
  2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
  3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen
  4. Du sollst Vater und Mutter ehren
  5. Du sollst nicht töten
  6. Du sollst nicht die Ehe brechen
  7. Du sollst nicht stehlen
  8. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
  9. 10.) Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.

Keine Angst, ich werde jetzt nicht auf jedes der einzelnen Gebote eingehen (auch wenn das sicher sehr interessant sein könnte).

Die zehn Gebote sind eigentlich acht Verbote! Wie gültig können diese Regeln heute noch sein? Trump meint, er sei Katholik, hat aber kein Problem für alle Bundesstaaten wieder die Todesstrafe zu fordern?

Wie wichtig wird das 4. Gebot genommen? Vater und Mutter ehren? Nicht wirklich mehr ein Anliegen der heutigen Gesellschaft, die sich überwiegend an jüngeren Menschen orientiert und das Alt sein mit Belastung und Kosten vielfach assoziiert.

Ja, die Basics wie nicht stehlen und nicht töten, haben auch in die Jetztzeit Eingang gefunden.

Aber gegen deinen Nächsten aussagen, Ehe brechen, nicht begehren deines nächsten Frau und/oder Gut? kann ich so in unserer heutigen Gesellschaft nur mehr in sehr stark gemindert Form erkennen. Hier gibt es keine Strafdrohungen, die ein Zuwiderhandeln unter Strafe stellen, aber auch keine Gesetze, die dies schützen sollten!

Und dass die ersten drei Gebote von nur mehr einer Kleinzahl an Menschen gelebt werden, versteht sich von selbst. 

Was ist also geblieben von der Kernaussage?

Dank Bruder Wolfgang, dem ich erzählt hatte, dass ich an diesem BS arbeite, machte er mich aufmerksam auf eine Sendung von ATV zum Thema „Die Zehn Gebote“. Ich gehe wohl zurecht davon aus, dass niemand von euch diese zwei Folgen auf ATV gesehen hat. Meinungsforscherin Karmasin hatte eine repräsentative Umfrage unter 1800 Österreichern gemacht, ob sie „Die Zehn Gebote“ einhalten, jemals übertreten hätten und welchen Stellenwert sie ihnen heute geben würden.

Ich fasse für mich die interessantesten Ergebnisse zusammen:

An den ersten drei Plätzen kamen gemäß dieser Umfrage:

  1. Du sollst nicht töten (5. Gebot)
  2. Du sollst Vater und Mutter ehren (4. Gebot)
  3. Du sollst nicht stehlen (7. Gebot)

Bei nahezu allen anderen Verboten, erkannte der Großteil der Befragten keinen direkten heutigen Bezug zu ihrem Leben, respektive sind der Auffassung, dass sie um heute gültig zu sein, umformuliert werden sollten!

Die ersten drei Gebote sind leider am wenigsten der Bevölkerung präsent geblieben!(8., 9. und 10.  Stelle im neuen Ranking).

Mit Sicherheit haben sie auch den stärksten Bezug und Sinnhaftigkeit zu ihrem Entstehungszeitpunkt. Zum Zeitpunkt der Übermittlung der „Zehn Gebote“ an die Menschen, musste sich der neue Glaube gegen die Vielgötterei, Naturgötter, Götzenanbetung und Ähnliches abgrenzen.

In jedem Fall war/ist der Sinn der „Zehn Gebote“ der Wertekatalog der christlichen/jüdischen Religion und der Menschen, die diesem Glauben angehören. Sollten sie sein!

Bei meinem Besuch auf dem jüdischen Friedhof in Prag und dem Besuch des jüdischen Museums und der Synagoge, fiel mir besonders auf der Stolz und die Erhabenheit, mit dem Gegenstände sowie Rituale und Riten präsentiert wurden, die sich offenbar in den letzten 4500 Jahren nicht verändert hatten! Ich versuchte mich daran zu erinnern, inwiefern die katholische Kirche umfassende Änderungen in den letzten 200-300 Jahren vorgenommen hätte! Die Messe wird auf Deutsch gehalten, der Priester spricht zu den Gläubigen, statt ihnen den Rücken zuzukehren.

Aber bei den wichtigen Dingen hat keine Öffnung stattgefunden! Zölibat, Frauen in der Kirche, Geschiedene ausgeschlossen von den Sakramenten und die Unfehlbarkeit des Papstes.

Wen wundert es da, dass die Menschen sich weder mit dem Sinn der Gebote, noch deren Einhaltung beschäftigen und sie im Alltag leben.

„Du sollst nicht töten“ hat Eingang ins Strafgesetzbuch gefunden! Ehebrechen hat keine gesetzlichen Konsequenzen, das „Du sollst nicht stehlen“ wird mittlerweile sehr weit interpretiert in der heutigen Moralvorstellung.

„Du sollst nicht gegen deinen Nächsten falsch aussagen“, hat in Zeiten von Shitstorm im Internet, Cybermobbing an Schulen eine immense Bedeutung bekommen, wird aber kaum bis gar nicht geahndet.

Und das 9. – 10. Gebot? Da brauche ich schon sehr viel Fantasie um darin im Heute einen Sinn zu erkennen (Schlagwort Konsumgesellschaft, Geiz ist geil! „Na, schauen wird man wohl dürfen?“

Insgesamt vermittelt mir das eine Leere im Glauben. Woran glauben dann all die Christen? Woran orientieren sie sich?

2.) Gebots- und Verbotsgesellschaft?

Zufälligerweise stieß ich auch auf einen Artikel im Profil mit dem Titel: „ Die Verbots-Gesellschaft, warum die Sehnsucht nach der Starken Hand?“

Ich zitiere aus dem Profil-Artikel: „ Verbote sind unverzichtbar. Sie definieren die rote Linie unseres Zusammenlebens. Zunehmend greift jedoch eine Politik der Regel Wut um sich – vom Essverbot in der Wiener U-Bahn bis zum Burkini-Verbot in Freibädern. Woher kommt die Sehnsucht nach der Starken Hand?“

Ich darf vorausschicken, dass Gebote zu formulieren ungleich schwieriger ist als Verbote! Somit war die Schaffung des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches 1811-12 ein Meilenstein, der ja auch sehr bald vom deutschen BGB nachgeahmt wurde.                      

Es werden immer mehr Verbotsgesetze verabschiedet. Die Ausnahme zur Ausnahme! Eine immer größer werdende Zahl an Regelungen (Beispiel Bauvorschriften!).

Bei der Abfassung vieler Gesetze muss den unterschiedlichen Lobbys entsprochen und deren Spezialwünsche in den Entwurf eingearbeitet werden.

Worauf will ich hinaus? Wenn es an der roten Linie fehlt, kann ich nur an den Details basteln.

Und so kehre ich zurück von den „Zehn Geboten“, die wir nicht bis kaum befolgen, zu einer Flut an Verboten, die unüberschaubar uns allen das Leben schwer machen

Zitat Soziologe Reinhard Knoll: „Die arme Politik hat kaum mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb greift sie verstärkt mit Regeln ins Alltagsleben ein. Verbote signalisieren dem Wahlvolk Problembewusstsein und Stärke“.

Wir lösen ein Problem nicht, wir grenzen es mit Regeln und Verboten ein und hoffen, dass es danach nicht mehr existiert!

Reinhard Raml, GF des Ifes prüfte das Sicherheitsempfinden der Österreicher. „Während sich im Jahre 2013 noch knapp 80 Prozent „sicher“ oder „sehr sicher“ gefühlt haben, waren es 2016 nur noch 64 Prozent. Das Unsicherheitsempfinden hat sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt (13 Prozent) – trotzt jährlich sinkender Straftaten“.

Das waren die kritischen Anmerkungen. Nun möchte ich aber auch einen Ausblick geben auf interessante Versuche,  das Thema der „Zehn Gebote“ in die Jetztzeit zu transformieren.

3.) Alternative „Zehn Gebote“

Die „Neuen Zehn Gebote“ des Religionskritikers Ebon Musings von 2011:

  1. Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu
  2. Strebe immer danach, keinen Schaden anzurichten
  3. Strebe stets danach, Neues zu lernen
  4. Respektiere immer das Recht der Anderen, anderer Meinung zu sein als du
  5. Bilde Dir aufgrund deiner eigenen Vernunft und Erfahrung eine unabhängige Meinung; lass dich nicht blind von anderen führen 

Georgia Guidestones

Sind große Granitblöcke im US Staat Georgia, in denen ein alternativer Satz vonzehn Geboten in mehreren Sprachen eingemeißelt ist.

Die Sprachen sind: Englisch, Spanisch, Swahili, Hindi, Hebräisch, Arabisch, Chinesisch und Russisch! Beispiele:

Beherrsche Leidenschaft – Glauben – Tradition und alles sonst mit gemäßigter Vernunft

Vermeide belanglose Gesetze und unnütze Beamte

Würdige Wahrheit – Schönheit – Liebe im Streben nach Harmonie mit dem Unendlichen

Die Zehn Angebote des evolutionärem Humanismus von Michael Schmid-Salomon

In den Vorbemerkung heißt es (Zitat):

„Die zehn „Angebote“ wurden von keinem Gott erlassen und auch nicht in Stein gemeißelt. Keine dunkle Wolke soll uns auf der Suche nach angemessenen Leitlinien für unser Leben erschrecken, denn Furcht ist selten ein guter Ratgeber. Jedem Einzelnen ist es überlassen, diese Angebote angstfrei und rational zu überprüfen, sie anzunehmen, zu modifizieren oder gänzlich zu verwerfen.“

Beispiele:       

Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten

Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen

Befreie dich von der Unart des Moralisierens

Und nur zum Teil als Unterhaltung möchte ich auch aus der Religionsparodie Pastafarianismus, (Verehrung des Spaghetti Monster!) zitieren:

„Mir wär’s wirklich lieber, du würdest nicht meine Existenz als Mittel benutzen, zu unterdrücken, jemand zu deckeln, zu bestrafen, fertigzumachen und /oder du weißt schon. Ich verlange keine und benötige keine Opfer. Und Reinheit ist was für Trinkwasser, nicht für Menschen“.

Betrand Russell, Philosoph und Pazifist formulierte „Zehn liberale Gebote“:

Liberal im Sinne von aufgeschlossen, tolerant/vorurteilsfrei

Fühle dich keiner Sache völlig gewiss

Versuche niemals, jemanden vom selbstständigen Denken abzuhalten, denn es wird dir gelingen

Fürchte dich nicht davor, exzentrische Meinungen zu vertreten, jede heutige Meinung war einmal exzentrisch

Und zum Schluss Die zehn Gebote der Gelassenheit; als ihr Urheber gilt Papst Johannes XXIII und sind ein einfaches Angebot für eine unkomplizierte Lebensphilosophie. Sie beziehen sich nur zum Teil auf Gott und sind grundsätzlich für jeden anwendbar.

Und sie werden daher z.B. bei den Anonymen Alkoholikern verwendet:

  • Leben: Nur für heute werde ich mich bemühen, einfach den Tag zu erleben ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen
  • Realismus:Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an mich anpassen
  • Lesen: Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen. Wie die Nahrung für das Leben notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele

Zum Teil sind diese Formulierungen lustig oder verwundern, zum Teil berühren sie aber.

Sie sind zumindest ein Versuch, Vorschläge zu erstellen für ein verantwortungsvolles Leben.

  • Die zehn Gebote der Freimaurerei

Im internationalen Freimaurer Lexikon wird der Mittelpunkt der Freimaurerei mit den Zehn Geboten und dem kategorischen Imperativ beschrieben.

Zitat: „In welchem Sinn in den „Alten Pflichten“ der Begriff Sittengesetz gemeint war, ist heute schwer zu erkennen; wahrscheinlich im Sinne der Zehn Gebote, wobei aber der Glaube an die göttliche Offenbarung derselben nicht ausgesprochen wurde.“

„Das Sittengesetz anzuerkennen heißt im freimaurerischen Sinn, bereit sein, der Stimme seines Gewissens zu folgen, Pflichtbewusstsein haben, guten Willens zu sein.“

Und ich habe einen interessanten Ansatz der Loge „Frei und offen“, veröffentlicht in Humanität Nr. 7/1993, gefunden: Die Zehn Gebote für Freimaurer (aus Humanität Nr. 7 /1993)  

1. Du sollst deinen Mitmenschen – unbeschadet seiner Rasse, Religion, Nationalität, seines Standes und seiner Lebensgewohnheit – als deinen Nächst Bruder ansehen

2. Du sollst das Recht, die Freiheit und die Würde eines jeden Menschen achten

3. Du sollst deinen Mitmenschen ausreden lassen, ihm zuhören und ihn zu verstehen suchen

4. Du sollst die religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen Anderer achten

5. Du sollst gegen niemanden Zwang oder Gewalt anwenden und jeder Gewaltanwendung entgegentreten

6. Du sollst dein Eigentum immer auch zum allgemeinen Wohl nutzen, ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen

7. Du sollst dich über die Angelegenheiten des Gemeinwesens informieren, für deine Überzeugung eintreten und bei der Lösung von Problemen selbst mit anpacken

8. Du sollst an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen

9. Du sollst dich verweigern und Protest erheben, wann immer der Staat die Menschenrechte oder das allgemeine Völkerrecht missachtet

10.Du sollst gegen jeden Widerstand leisten, der die Ordnung unseres Grundgesetzes, insbesondere gegen den, der die Grundprinzipien der Demokratie zu beseitigen unternimmt

Wäre es nicht spannend zehn Gebote für unsere Loge zu formulieren?

Ich weiß, dass wir eine Logenverfassung haben, ein Hausgesetz, Leitbild etc.   Aber könnte es nicht spannend sein, einen Versuch zu unternehmen, in kurzer prägnanter Form zu formulieren, wofür LOGOS und wir stehen?

Zusammenfassung:   Gebote/Verbote in der Logos?

Beim Aufnahmeritual geloben wir vieles. Meist in der Aufregung wissen wir im Nachhinein wohl wenig von alldem, was wir gelobt haben. Aber wir können es in der Neophyten-Mappe nachlesen. Erst in der Ausbildung erfahren wir mehr und mehr über das Geheimnis der FM, deren Pflichten und Rechte (und ich meine damit nicht nur die Hausordnung/Verfassung der jeweiligen Loge).

Wir geloben Verschwiegenheit, wir geloben, die Regeln der Loge zu befolgen, wir geloben, an uns als rauen Stein zu arbeiten, wir geloben, unsere Überzeugung im Leben außerhalb des Tempels zu verteidigen, dafür einzutreten und am Gebäude der Menschlichkeit zu bauen, wir geloben, allen Brüdern und Schwestern respektvoll zu begegnen, uns gegenseitig zu unterstützen usw.

Ganz schön viel, was wir uns da vorgenommen haben? Oder nicht? Und nicht immer leicht, denn auch wir sind NUR Menschen! Und viele der vorhin genannten „hehren“ Absichten gehen manchmal ein wenig am steinigen Weg des menschlichen Zusammenwirkens verloren.

Aber genau das sollte uns u.a. als FM auszeichnen: zu verstehen, zu verzeihen und weiter zu hinterfragen.

Welche Gebote habe ich befolgt, welche Verbote übertreten und was noch wichtiger ist: sind diese Gebote/Verbote gestern wie heute gültig für jeden Einzelnen, für die Loge und für die FM generell? 

Oder könnte es vielleicht für unsere Loge interessant sein, höchstpersönliche eigene Gebote zu formulieren? Um damit unsere Identifizierung mit unserer Loge zu intensivieren und es uns selbst vielleicht auch leichter zu machen, diese Grundsätze in Zukunft noch mehr präsent zu haben?