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Der aufgehobene raue Stein auf Wanderschaft

Vor vielen Jahren wurde in den Tiefen der Erde durch die Verbindung von liebender Wärme und starkem und unablässigem Druck ein kleiner Stein geformt. Als die Zeit reif war, wurde er – wie viele Steine vor ihm –  aus einem Vulkan der Sonne entgegengeschleudert. Doch der kleine Stein hatte Glück. In der Mulde, in der er landete, war er umgeben von viel Wärme seines Muttergesteins, welches ihn in kalten Nächten nicht frieren ließ, während ein großer Vaterstein darüber wachte, dass ihm nichts passierte. Von den Hängen des Vulkans blickte der kleine Stein hinab auf die Welt, die vor Ihm lag. 

Eines begeisterte ihn besonderes: In der Ferne sah er ein Licht, besser ein Funkeln, welches er täglich in der Morgensonne sah. Dort will ich hin, dachte sich der Stein, und er machte sich auf den Weg. Er verließ die Mulde und zog hinaus, die Welt zu entdecken und zu erfahren, was dieses Funkeln denn sei. Anfangs rollte er voll jugendlichen Leichtsinns schnell den Berg hinab. 

Natürlich, wie junge Steine so sind, holte er sich ein paar Beulen und Blessuren, aber das machte nichts. Auf dem Weg ins Tal lernte er auch andere Steine kennen. Manche wurden zu freundlichen Begleitern, andere schlugen lieber auf den kleinen Stein ein. Besonderes die Granitgang hatte es auf den kleinen Stein abgesehen. Sie stießen ihn herum und machten sich lustig über seinen Wunsch, das Funkeln zu entdecken. Doch aufgeben war nicht die Art des kleines Steins. Er ging unbeirrt seines Weges Richtung Tal, welches ihn zum Funkeln führen sollte. So dachte er jedenfalls. Als er endlich im Tal war, merkte er, dass er das Funkeln in der Ferne nicht mehr sah. 

Wohin war es verschwunden? Er blickte zurück und fragte sich selbst: War es klug, die wärmende, schützende Mulde zu verlassen? Dort oben war alles hell und freundlich und hier im Tal alles düster und kalt. Auch hatte der kleine Stein Angst vor dem dunklen, lauten blauen Strom, der sich in der Mitte des Tals dahinwand. Doch wohin, fragte er sich? Mutig sprang er in den Strom.

Im dunkeln Fluss merkte er, dass er noch weniger sah als zuvor und dass es darin immer nur eine Richtung gab, und zwar stromabwärts. Wo bin ich hier, fragte sich der kleine Stein? Du bist dort, wo du hingehörst, schrie ihn eine polternde Stimme an. Kleine Steine sind da, um uns große zu tragen. Der kleine Stein wandte sich um. Ein dicker, großer Quarz trieb auf Ihn zu. Mich musst du auch tragen, schrie ein Pyrit von nebenan. Und so hockten sich die beiden auf den kleinen Stein, der sie durch den dunklen Fluss entlang tragen musste. Ab und zu, wenn die beiden Pause machten, durfte der kleine Stein auch woanders hin. 

Eines Tages lernte er ein Konglomerat kennen. Das Konglomerat beobachtete den kleinen Stein schon etwas länger. Eines Abends fragte das Konglomerat den kleinen Stein: „Willst du ebenfalls zum Funkeln?“. Der kleine Stein war verwundert. Das Konglomerat hatte das Funkeln also auch gesehen? Gibt es also doch einen Weg dorthin? Auf einmal fiel dem kleinen Stein das Tragen von Quarz und Pyrit etwas leichter. Die Aussicht, aus dem dunklen Fluss wieder herauszukommen, gab Ihm Kraft. 

Eines Tages war es so dann so weit. Das Konglomerat nahm den kleinen Stein und führte ihn auf eine Schotterbank – damit an die Oberfläche und das Licht. Dort sah er auch andere Steine, bunte Steine. Die Steine erklärten Ihm, dass auch sie zu dem Funkeln, dem Licht wollten. Gemeinsam machten sie sich auf die Reise. Und so ging es weiter im Fluss. 

Eines Abends lernte der kleine Stein einen weiblichen Feuerstein kennen. Er nannte sie so, denn schon bei der ersten Begegnung funkte es. Doch einen Haken hatte es. Der Feuerstein reiste auf der anderen Seite des Flusses. Hin und her gerissen, entschied sich der kleine Stein, von nun an zwischen seinem Freund Konglomerat, seinen neunen Freunden und dem Feuerstein hin und her zu reisen. Den Quarz und die Pyrit musste er dennoch weiter tragen. Doch fiel es ihm leichter. Er traf auch noch auf andere Steine. Einen großen, furchtlosen, aber sehr feinen und witzigen Glimmer traf er in der Mitte des Flusses. 

In die Gruppe der bunten Steine auf der Schotterbank fügte sich der kleine Stein gut ein. Anderes als sonst im Fluss, hauten sie weniger aufeinander ein, sondern gaben sich gegenseitig Tipps, wie man sich selbst behauen kann. Dem kleinen Stein gefiel dies. Er lernte so, während er im Fluss reiste, bei den Treffen auf der Schotterbank, welche seiner Ecken und Kanten er sich wo abhauen sollte, um ein besserer Stein zu werden. Natürlich klopften auch andere Steine auf Ihm herum, doch taten sie dies im Gegensatz zur Granitgang auf eine freundliche Art und Weise. 

Der kleine Stein erkannte mit jedem Schlag an sich selbst auch immer mehr, wer er den sei. Er war anderes als die anderen Steine. Natürlich gefiel das so manchen Steinen gar nicht. Besonderes Quarz und Pyrit hatten ein großes Problem mit der neuen Selbstständigkeit des kleinen Steines. Doch sie hatten ein Druckmittel. Leider musste der kleine Stein im Fluss auch Wegzoll bezahlen, wenn er seinen Feuerstein sehen wollte, und diesen musste er sich bei Quarz und Pyrit verdienen. Das gefiel dem kleinen Stein aber zunehmend weniger. Doch der Feuerstein war dem kleinen Stein wichtiger als alles andere. 

Als der Tag kam, an dem er und der Feuerstein beschlossen, von nun an gemeinsam im Fluss zu reisen, waren natürlich alle bunten Steine dazu eingeladen und viele fanden auch den Weg an das andere Ufer, wo der Feuerstein reiste. Besonderes dem Pyrit gefiel das gar nicht. Auch er wollte vom Quarz gefragt werden, ob er mit ihm reisen würde. 

Der kleine Stein fühlte sich inzwischen sehr wohl. Das Tragen war erträglich und dank Ton und Sand, welche er bei den bunten Steinen kennen gelernt hatte, konnte er so manche Lücken, wo nicht Kannte auf Kannte passte, zwischen sich und den anderen Steinen verbinden. Auch schaute er mehr um sich. 

Mit seinem Freund Glimmer genoss er das Leben, wenn sie zusammen andere Steine im Kreis um die Wette wirbeln ließen. Mit dem Konglomerat verbanden ihn lange und tiefe Gespräche über das Ziel – dem Funkeln in der Ferne. Er entdeckte auch immer neue Wege und Steine im Fluss, manche freundlich andre nicht so freundlich, aber aus jeder Erfahrung lernte der kleine Stein. Er lernte auch im ganzen Fluss viele andere bunte Steine kennen, alle mit demselben Ziel, das Funkeln zu erreichen. Das Leben schien für den kleinen Stein gut zu laufen. 

Was der kleine Stein nicht wusste war, dass sich ein Sturm hoch oben in den Bergen zusammenbraute und den Fluss immer reißender werden ließ. Der Anfang war, dass der Pyrit immer heftiger auf den kleinen Stein einschlug, während der Quarz zusah. Auch unter den bunten Steinen brach ein Streit aus. Der kleine Stein wusste nicht wie im geschah, wie er auf einmal mit anderen bunten Steinen zusammensaß und das Ziel des Funkelns nicht mehr das Thema war, sondern wer denn die Schotterbank aufräumen sollte. 

Die einen Steine meinten so die, anderen so, und vergessen war das Ziel des Funkelns.

Auch der Feuerstein klopfte am kleinen Stein herum, er solle doch endlich das Schleppen von Pyrit und Quarz sein lassen. Der kleine Stein bekam Angst und verkroch sich in einer Spalte und suchte dort das, was er vor Langem verlassen hatte – die Wärme des Muttergesteines. 

Ein großer starker Eisenstein kam vorbei und sah den kleinen Stein in der Spalte. Was machst du da, fragte er mit sanfter und zeitgleich kräftiger Stimme, den kleinen Stein? Ich habe Angst, sagte der kleine Stein zum Eisenstein, den er von der Schotterbank kannte.

 „Mir wurde beigebracht an mir selbst zu klopfen, beigebracht Unterschiede auszugleichen und große Pläne zu entwerfen, aber mit all dem komme ich nicht weiter“, fuhr der kleine Stein fort. Für den kleinen Stein brach ein geistiger Damm. Er erzählte dem Eisenstein über seine Furcht vor Quarz und Pyrit, seine Angst, den Feuerstein zu verlieren und die Angst, in den Augen der anderen bunten Steine zu versagen. Der Eisenstein hörte ihm aufmerksam zu und meinte mit ruhiger Stimme: „ Ich gebe dir ein Geschenk, das dir helfen wird. Ich schenke dir Zeit!

Gleichzeitig spülte der Sturm aus den Bergen eine gefährliche Alge in den Fluss, die manche Steine auffressen konnte. Ermuntert durch die Worte des Eisensteines, tat der kleine Stein, was er sich nie hätte denken können. Er sagte Quarz und Pyrit adieu und flog als einer der Letzten auf die andere Seite des Flusses zu seinem Feuerstein. Dies tat Ihm weh, ließ er doch alles, was ihm wichtig schien am anderen Ufer zurück: Freunde, Einkommen, seine bunten Steine und die Schotterbank. 

Angekommen auf der anderen Seite, wo das Leben noch frei von Algen war, beziehungsweise sich die dortigen Steine darüber weniger Sorgen machten. Dort war er zunächst einmal erschlagen. Die ungewollten Abschläge, die er bekommen hatte, mussten erst einmal heilen. 

Während des Heilungsprozesses fragte sich der kleine Stein: „Will ich den zurück ans andere Ufer? Dort warten nur Pyrit und Quarz, welche nur getragen werden wollen und sonst? Warum nicht einfach hierbleiben und nie mehr zurückgehen auf die andere Seite

Doch da gab es etwas, was den kleinen Stein nicht losließ. Als er das erste Mal auf der Schotterbank etwas Helles sah, gaben ihm die anderen Steine dort viele Überlegungen mit. Eine davon war:  Der Weg zu hellstem Licht führt durch das tiefste Dunkel. Erkennen Sie in dieser Stunde die Zerbrechlichkeit des Seins. Werfen Sie angesichts dieser Erkenntnis von sich, was Sie an ungeprüften Wertschätzungen, an Vorurteilen mit sich tragen, damit Sie als freier Stein auf die Schotterbank treten können.

Wenn nicht auf der Schotterbank, wo dann, überlegte der Stein. Wo ist man dem funkelnden Licht näher als auf der Schotterbank? 

Dem kleinen Stein wurde mulmig. Einerseits wollte er nicht mehr zurück auf die andere Seite, doch zog es ihn zurück auf die Schotterbank. Je länger er da saß, wurde dem kleinen Stein immer mehr bewusst, wie sehr ihm die anderen Steine auf der Schotterbank fehlten. Der kleine Stein erinnerte sich an einen Zuruf eines anderen Steines:

In Dir, in Deinem Wesen, in Deinem Denken und Handeln, in Deinem Tun und Lassen spiegelt sich das Wesen der Welt. Unbeirrt durch den Lärm der Welt wandelt der Weise seinen Weg zu Wissen und Wahrheit – fest und kühn in den Stürmen des Lebens, hohe Ziele im Sinne. Aus Selbsterkenntnis erwachse auch Ihnen einst solche Weisheit.

Darüber dachte der kleine Stein, in seinem Exil auf der anderen Seiter des Flusses oft nach. Doch was bedeutete es? Eines Nachts wachte der kleine Stein auf und erkannte für sich: Wenn du wirklich zurückwillst, dann ändere was, du selbst hast es in der Hand. 

Als erstes begann der kleine Stein wieder Kontakt zu den anderen Steinen aufzunehmen. „Durchs Reden komman  d‘Leut zam“ hatte er in seiner Mulde noch gelernt. Also sprich mit allen. sagte sich der kleine Stein. Er nahm wieder Kontakt zu den Steinen auf, welche auf der anderen Seite zurückgeblieben waren, in der Hoffnung, sie würden Ihn und seine Lage verstehen. 

Doch wie sollte er den Wegzoll bezahlen? Da fiel dem kleinen Stein ein, dass er ja immer für seine Ideen von den anderen Steinen aufgezogen wurde. Doch einige wichtige, große Steingremien sagten ihm, seine Ideen seien wirklich neu für die Steinheit. 

Auch der Glimmer meldete sich wieder. Er war nicht so weit entfernt und dank seines Ausweises von der anderen Flussseite, konnte er den Glimmer besuchen. Der Glimmer sah etwas in dem kleinen Stein, wie er sagte. Auch wenn der kleine Stein den korrekten und ordentlichen Glimmer manchmal mit seiner chaotischen und kreativen Art in den Wahnsinn trieb, bemerkte er das Potential im kleinen Stein und ließ sich auf ihn ein. Gemeinsam begannen sie, eine der vielen Ideen des kleinen Steines umzusetzen und zu entwickeln. Der kleine Stein war glücklich, endlich ging es bergauf dem Licht entgegen. Viele Beulen und raue Steine, welche anderen Steine dem kleinen Stein zugefügt hatten, waren wieder mit Mörtel gekittet worden.

Doch die Freude währte nicht lange: Bei einem Treffen, stießen der Glimmer und der kleine Stein auf einen echten Assi-Stein, der die Ideen des kleinen Steines schlechtmachte. Mit einem Schlag war der ganze Mörtel wieder ab und der kleine Stein fiel. Dem Glimmer gefiel das gar nicht, wie andere Steine auf den kleinen Stein draufhauten. 

Wieder bei seinem Feuerstein zuhause dachte der kleine Stein nach. War es sein Schicksal, ewig den Quarz und Pyrit zu tragen? Glaubte er nur, gute Ideen zu haben. Denn außer Mutter- und Vatergestein und dem Glimmer glaubte keiner an seine Visionen für die Steinheit. 

Der kleine Stein versteckte sich wieder in einer Spalte. Dort unten fiel ihm ein zweiter Zuruf ein, den er vor Langem auf der Schotterbank gehört hatte:

In Dir, in Deinem Wesen, in Deinem Denken und Handeln, in Deinem Tun und Lassen spiegelt sich das Wesen der Welt. Schmal ist der Weg, der zum Ziel führt, groß die Gefahren, die Dich von ihm abzuhalten drohen. Doch aller Gefahren größte bist Du Dir selbst. In Deine Hand ist alles gegeben. So ist dies der erste Schritt auf dem Weg zur Stärke.

Der kleine Stein wollte stark sein, doch nur wie? Auch den Glimmer ließ dieses Tief nicht los, er wollte dem kleinen Stein helfen. Sein Ziel, den kleinen Stein so aufzubauen, dass er gegen Assi-Steine und die Granitgang bestehen könne, denn auch wenn der Glimmer ganz anders war, sah er etwas im kleinen Stein. Etwas, was er nicht hatte oder konnte, aber davon begeistert war. Und so wurde der kleine Stein zum Aufbautraining gesendet. Diesmal nicht mit Mörtel, sondern mit der Arbeit an sich selbst.

Auch auf der Schotterbank tat sich was. Der glänzende Rubin wollte nicht mehr länger die Schotterbank leiten, warum auch immer, und er bat alle anderen Steine, es ihm gleich zu tun. Doch der kleine Stein sagte sich: „Warum? Wäre es nicht wichtiger gemeinsam weiterzukommen? Warum nicht Stärke zeigen?“. Der kleine Stein dachte dabei an seine Beziehung zum Glimmer. Der Glimmer war ordentlich und korrekt, also das Gegenteil des kleinen Steines, und dennoch konnten sie gut gemeinsam an etwas arbeiten. Da fiel dem kleinen Stein ein Versprechen ein, welches er den anderen Steinen auf der Schotterbank gegeben hatte: 

Ich gelobe, als Stein von Ehre und mit dem Gewissen eines freien Steines, den mir bekannten Zwecken der Schotterbank meine besten Kräfte zu widmen, mich zu bemühen, den sittlichen Forderungen des Bundes jederzeit gerecht zu werden, die Bankdisziplin zu achten, meinen Mitsteinen geschwisterlich und allen Steinen steinlich zu begegnen.

Das konnte nur heißen, weiterzumachen, Stärke zu zeigen und alle gegebenen Werkzeuge und sich selbst zu nutzen. Also, voran! Obwohl der kleine Stein nicht wusste, was Winter und Algen im Fluss noch bringen würden. 

Den Vorsitz der Schotterbank übernahm ein langgedienter Basalt, der bekannt war für seine spezielle Form. Die Muschelverwaltung übernahm der Bauxit, mit dem der kleine Stein so manche Schwierigkeiten in der Vergangenheit hatte. Dem kleinen Stein fielen die Worte eines anderen erfahrenen Steins ein, welche er mitbekommen hatte: Du bist der Verwalter und du kannst frei gestalten – mach etwas daraus! 

Das Verbindende über das Trennende stellen, und reden, denn dies könnte der Weg sein, wie diese Schotterbank wieder dem Licht näherkommen könnte, dachte sich der kleine Stein, denn wer es nicht versucht, hat schon verloren. 

Auch der Basalt war dahinter, sich alle vierzehn Tage zu treffen, sagte er; ihr habt alle Handys, wir halten so Sitzungen ab, gab er vor.

Inzwischen zog der Herbst an den Fluss, die Algenplage war – wie erwartet – noch immer nicht zu Ende. Und wieder saß der kleine Stein bei seinem Feuerstein auf der anderen Flussseite und blickte einem kalten und langen Winter entgegen. Doch auch Wärme erfuhr er.

Das Team Schotterbank begann unter den strengen Worten des Basalts zusammen zu wachsen. Verbindendes wurde über Trennendes gestellt und es baute sich langsam Vertrauen auf. Auch konnte ein wenig auf der Schotterbank gearbeitet werden. Das Problem mit dem Quarz und Pyrit konnte der kleine Stein lösen, denn ein Jahr zur Fortbildung durfte er sich nehmen. Dank des Glimmers konnte der kleine Stein auch immer mehr an Profil gewinnen und sich selbst erkennen. Er lernte viele andere Steine kennen, die ihm auf seinem Weg begleiteten und gut zusprachen. 

Doch eine Frage quälte den kleinen Stein. Was passiert nach diesem Jahr? Wie soll ich den Wegzoll in Zukunft begleichen? Eines war klar, zurück zu Quarz und Pyrit war ausgeschlossen. Wieder waren es Geister, die im kleinen Stein aufstiegen. Doch da fiel ihm wieder ein Satz ein: 

Die Schotterbank ist keine religiöse Sekte und keine politische Vereinigung. Sie denkt nicht dogmatisch. Sie strebt den Fortschritt der Steinheit an auf dem friedlichen Wege der Belehrung und Bildung, die Veredelung der Steinheit auf dem Wege der Veredelung des Einzelnen. Das Ziel der Schotterbank ist, alle Steine zu einer Gemeinschaft zu vereinen, so dass sie einander als Geschwister anerkennen, lieben und helfen

Dies gab dem kleinen Stein Kraft und zumindest die Gewissheit, dass das Klopfen an seinen Ecken und Kanten ihn irgendwo hinführen und zumindest den Status quo verändern würde.

Durch Zufall fand er auf der anderen Seite des Flusses eine kleine, aber feine Schotterbank, die dem kleinen Stein Zutritt gewährte, wenn er auf der anderen Flussseite war. Der kleine Stein merkte, wie sehr ihm die Arbeit auf der Schotterbank im langen und kalten Winter gefehlt hatte, als er zwischen den ihn unbekannten, aber dennoch vertrauten Steinen stand, die noch dazu eine sehr komische Sprache sprachen. 

Auch seine Sorge um den Wegzoll löste sich. Ein Bimsstein, den der kleine Stein schon länger kannte, gab Ihm eine neue Aufgabe. Nicht mehr tragen wie bei Pyrit und Quarz, sondern ein miteinander auf gleicher Ebene. Mit seinen Ideen hatte sich der kleine Stein auch bei Wettbewerben beworben und kam dabei voran. Und so verging ein langer Winter, ohne dass der kleine Stein fror und das Frühjahr zog wieder ins Land. Auch die Arbeit an der Schotterbank ging voran. Anstatt einander zu misstrauen, war die Arbeit zwischen Basalt, Bauxit und dem kleinen Stein immer mehr von einem Miteinander statt einem Gegeneinander geprägt. Man hörte zu und arbeitete gemeinsam. Auch mit den Vertretern der einzelnen Steingruppen. Es wurde wieder miteinander gesprochen. Das Gemeinsame über das Trennende gestellt und Kompromisse gesucht. 

Eine Mahnung fiel dem kleinen Stein wieder ein: 

Der Bund der Schotterbank ist eine Gemeinschaft freier Steine. Weder Stand noch Vermögen, weder Alter noch Bildung räumen in diesen Reihen ein Vorrecht ein. Höhere Fähigkeiten verpflichten alleine zu höheren Leistungen. Ehrgeiziges Machtstreben oder eitle Neugier werden in diesen Reihen keine Befriedigung finden. 

Ein angenehmes Gefühl fand der kleine Stein, wenn es nur um das Tun und Handeln geht und nicht das wer man sei und aus welcher Mulde man entstamme. 

Beim Verdienen seines Wegzolles tat sich der kleine Stein auch immer leichter. Ein Termin jagte den anderen, aber dank der Aufbauarbeit des Glimmers und der Schotterbank kann er diese langen Tage gut bewältigen. Auch wurden die Tage immer besser mit dem Maßstab eingeteilt. Schlafen, Reisen, Termine, Feuerstein, Schotterbank und vieles mehr passten dank Einteilung immer besser in die Tage des kleinen Steines. 

Auch eine Reise zum jährlichen Treffen aller Schotterbänke ging sich nun terminlich aus. Auf dem Heimweg ließ der kleine Stein die Jahre Revue passieren und dabei fiel ihm ein dritter Zuruf ein, den er vor Jahren vernommen hatte und den er selbst einmal sprechen durfte:

 In Dir, in Deinem Wesen, in Deinem Denken und Handeln, in Deinem Tun und Lassen spiegelt sich das Wesen der Welt. Die Wenigen prägen das Antlitz der Zeiten. Sie schaffen die Werke, sie bringen die Opfer, von ihnen strahlt der Glanz der Welt. In Dich ist alle Hoffnung gesetzt. So ist dies der erste Schritt zur Schönheit.

Ich bin eben anders, genauso wie alle anderen, und das ist gut so, sagte sich der kleine Stein. Manches kann ich, manches nicht. Beim Gegenüber ist es umgekehrt, aber gemeinsam ergänzen wir uns und kommen weiter. Langsam erkannte der kleine Stein, was dieses Funkeln da in der Ferne sein könnte. Viel Arbeit an sich selbst, die wohl nie ausgehen wird, um zur Schönheit zu gelangen.

Unser Hausgesetz

Ich hoffe, keiner von euch sitzt in der Erwartung hier, dass jetzt eine Hausgesetz-Exegese kommt. Es wäre eine leichte, aber auch seichte Übung.

Doch warum dieses Thema? Im Dezember letzten Jahres hatte ich ein Telefonat mit einem Bruder, das mich zu diesem Baustück motivierte. Warum hat es das? Lasst mich ausholen. Das letzte Jahr war, um es so auszudrücken, maurisch spannend, das Ergebnis – wir werden sehen.

Details will ich euch ersparen, aber eines wurmte mich die ganze Zeit:

Kann ich mich auf das Geschriebene überhaupt noch verlassen oder zählt nur mehr maurerisches Faustrecht? Besagter Bruder meinte zu mir: Das kommt davon, wenn keiner die Regeln kennt, jeder macht was er will…)

Dazu fiel mir aus meinem Lieblingsbuch sofort eine Stelle ein:

  • Unwissenheit ist Stärke (aus 1984 von George Orwell)

Doch was bedeutet es in dem Zusammenhang. Ich habe Orwell immer so interpretiert, dass er damit sagen will:

Selbst ein stupider Narr, der keine Ahnung hat aber überzeugend genug auftritt, kann eine Gruppe leitet wohin er will, wenn sich diese nicht ihrer Macht als Masse bewusst ist.

Nur so ist es zu erklären, dass Minderheiten über Mehrheiten herrschen können.

Unwissenheit ist Stärke – die Weltgeschichte ist voll mit Beispielen.

Umgekehrt glaube ich, dass eine gut informierte Gruppe, wo sich jeder seiner Bedeutung für die Gruppe bewusst ist, viel schwieriger durch solche Individuen, wie vorher beschrieben, zu verführen ist.

Das erfordert Mut, Ausdauer und Stärke.

Das Licht der Stärke haben wir hier in diesem Raum stehen. Der Spruch dazu lautet Stärke im Handeln.

Durch meine Zeichnung will ich das Licht der Stärke stärken.

Der erste Entwurf hierzu trug die Handschrift eines Juristen. Jedoch aus Unserem Hausgesetz wurde Die Verfassung unserer liberalen Maurerei im Staatsrechtlichen Sinne. Das entsprach nicht so ganz der Weisheit im Planen, wenn man eigentlich über das Hausgesetz sprechen wollte.

Neuer Titel oder neues Baustück? Das war hier die Frage. Es wurde ein neues Baustück.

Die Ausgangsfrage dazu lautete: Was ist eine Loge?

Nun, die Maße sind uns alle durch das Ritual und den Lehrlings-katechismus bekannt. Ein längliches Viereck vom Zenit bis zum Nadir, also allumfassend. Auch die Akteure sind uns aus Ritual und Katechismus bekannt: 3 leiten sie, 5 erleuchten sie, 7 machen sie gerecht und vollkommen.

Klingt alles wunderbar und einfach – vollste Harmonie. Wir haben nur eines vergessen… uns Maurer-Menschen.

Wann immer wir Menschen zusammenkommen, um etwas gemeinsam zu entwickeln, muss dies irgendwie organisiert werden. In der profanen Welt sind dies Gesellschaften, Vereine, Staaten etc. Wir Maurer nennen die Organisationsform „Loge“.

Doch wie ist sie organisiert?

Als Verein oder Gesellschaft wie wir sie alle kennen? Ein Vorstand machtt die Arbeit und der Rest zahlt brav ein und tut, was vom Vorstand gesagt wird. Quasi eine Logos GmbH oder der Verein nice together Logos? Wäre dem so, würde es die Freimaurerei heute nicht geben

Noch absurder wird es, wenn man an die Großlogen denkt. Die LGL als Konzernholding, AG oder Überverein? Ein lustiger, aber absurder Gedanke.

Vielleicht wie föderale Staaten?

Die Logen, gedacht als souveräne Gliedstaaten einer Großloge (Bund)? Geleitet durch einen Beamtenrat als Exekutive, mit einer Vollversammlung als Legislative kontrolliert durch alle gemeinsam als Vier-Gewalt? Passt schon eher. Doch wer setzt hier Recht durch? Eine Judikative fehlt bzw. ist nur rudimentär in Form eines temporären Schiedsgerichts vorhanden. Drei Elementen-Lehre; Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt weit und breit nicht in Sicht. Die Loge als Staat gedacht passt nicht wirklich.

Doch womit aus der profanen Welt ist eine Loge dann vergleichbar?

Ein Buchtipp und Gespräche mit einem Bruder brachten mich der Antwort näher. Vielleicht habe ich die Antwort in der falschen Welt gesucht. Vielleicht liegt sie nicht in der Menschenwelt, sondern in der Tierwelt.

Die Loge als Schwarm gedacht? Kann das die Lösung sein?

In einem Schwarm sind alle gleich. Es gibt keinen Leitvogel, der die Figuren ansagt, die geflogen oder geschwommen werden, aber dennoch herrscht Ordnung untereinander. Chaos und Ordnung zur selben Zeit geht das? Ja, es nennt sich „chaordisch“. Passt das auf die Loge?

Der Beamtenrat gibt uns allen nur die relativen Abstände vor, wie wir fliegen, nicht aber wohin. Das Entscheiden wir alle gemeinsam als Gruppe.

Die Loge als Schwarm? Für mich und zumindest einen weiteren Bruder die beste Erklärung.

So, jetzt dürft ihr mich und beschriebenen Bruder für plemplem halten.

Doch was steht den in unserem Leitbild, Anhang A des Hausgesetzes:

Der Zusammenhalt unserer Gemeinschaft ist nicht von Bürokratie getragen, sondern von dem tiefen Verständnis des Einzelnen, dass das große Ganze nur Bestand haben kann, wenn sich die Geschwister der Inhalte und Strukturen bewusst werden und sich in diese entsprechend konsequent, engagiert und mutig einbringen.

Das untermauert unsere Theorie nur weiter.

Doch wie ist es in der Praxis?

In Universum schaut das bei Vögeln, Fischen oder Bienen immer so leicht aus mit der Schwarmbildung. Wir Menschen benötigen dazu Hilfsmittel, dass ein Menschenschwarm funktioniert; doch nein, hinter einem Nachlaufen demjenigen, den wir für besonderes begabt halten, ist keine Schwarmbildung.

Unser Hilfsmittel zur Schwarmbildung des LOGOS Schwarms ist unser Hausgesetz.

Als Menschen brauchen wir das Recht als Klammer, um uns zu organisieren. Selbst wenn nur zwei von unserer Spezies zusammenkommen braucht es oft schon Verträge.  Einen Schwarmtrieb haben wir nicht. Aber das muss man unserer Spezies zugutehalten: der Mensch ging den Weg vom Faust- über Gewohnheits- zum Gesetzesrecht. Immerhin etwas.

Doch was steht nun in diesem Hausgesetz?

Manche organisatorischen/bürokratischen Dinge müssen sein.

Wer sind die Logenbeamten und wofür sind sie zuständig? Welche Aufgaben hat der Beamtenrat? Welche Funktion hat die Logenvollversammlung? Wie werden die einzelnen Gremien einberufen bzw. bestellt? Welche Quoren gibt es? Wen endsenden wir wie in welche Ämter in die Großloge?

Auch wenn es nur ein Artikel ist (9) so umfasst er doch 1/3 des Hausgesetzes.

Drei leiten sie heißt es im Katechismus des Lehrlings. Gemeint sind die hammerführenden Beamten: MvSt, 1A, 2A.

Doch was und wie leiten sie? Nun, die drei leiten nicht den Schwarm, indem sie vorne wegfliegen, sie stellen ihm nur einen Raum zum Fliegen zu Verfügung indem sie ihn aufbauen. Die Loge.

Unsere Rituale sind der Raum, in dem wir uns als Loge bewegen. Auf und abgebaut von den Hammerführenden. Auch sie sind Teil des Hausgesetzes, worüber haben wir vor zwei Wochen abgestimmt? Erraten – über zwei neue Rituale.

Wohin aber die Loge in diesem Raum fliegt, gibt nicht einmal derjenige vor, der die Zeichnung hält. Auch der Hammerschlag des MvSt bewirkt keine Richtungsänderung, sondern nur eine Rückbesinnung auf die Ordnung des Schwarms. In die Ordnung das kommt uns doch bekannt vor.

Doch was tun, wenn ein Teil der Vögel nicht fliegen will? Was tun, wenn ein Teil der Fische dem Hai links, der andere rechts ausweichen will?

Absurd, denn einem Schwarmtier würde das nie in den Sinn kommen.

Wir Menschen sind da nicht so klug. Wir brauchen dafür Regeln, die uns daran erinnern, dass es besser ist, wenn alle dem Hai links ausweichen. Ansonsten Chacos unter Wasser.

Wie ein Vogelschwarm funktioniert auch unser Logos-Schwarm, aber nur dann, wenn alle mitfliegen:

Schaut um euch! Was wären wir ohne Andreas, Ulis, Ereks, Markusse, Stefans, Peters, Ernas, Rudis, Ingeborgs, Christinas, Birgits, Claudias, Imres, Brankos, Wolfgangs, Irenes, Inas, Kaharinas, Manuelas, Monikas, Giggas, Susannes, Hanse, Gabriellas, Anitas, Ernestos.

Es würde etwas fehlen. Jeder von uns hat hier in dieser Loge seine Aufgabe, fast wie bei den Schlümpfen von Peyu. Schaut einmal euere Sitznachbarn in den Kolonen an. Ich bin mir sicher, euch fällt sofort eine Eigenschaft ein, die ihr ihnen zuschreibt.

Die böse 70%-Anwesenheitsquote im Hausgesetz soll uns am Ende des Tages auch nur daran erinnern, dass wir nur gemeinsam gut funktionieren können und dass jeder von uns gebraucht wird. Eine Arbeit ohne Muffi, pardon Stefan – da würde was fehlten.

Ohne Eigenschaften und Stärken ist niemand hier. Das macht eine Loge auch aus. Jedem von uns sollte bewusst sein, dass ohne ihn – hier in diesem Raum – den anderen etwas fehlen würde. Wir sind alle bunte Papageien in unserem Wesen auch wenn wir wie Pinguine aussehen und das ist gut so.

Gegensätze sind die Grundlage einer jeden Diskussion. Es wäre furchtbar, wenn wir alle immer nur einer Meinung wären, ja richtig langweilig.

Auch eine Batterie kann nur dann Kraft geben, wenn die Pole maximal unterschiedlich geladen sind.

Wie heißt es so schön im Leitfaden, den wir uns gegeben haben.

Unsere Zielsetzung ist die Arbeit an individuellen Stärken und Schwächen, um die freimaurerische Haltung, die im Tempel entwickelt wird, im täglichen Leben miteinander und nach außen umzusetzen.

Diese freimaurerische Haltung bedeutet für uns Humanismus, Liberalität und Pluralismus. Aufbauend auf und mit Respekt für die traditionellen Werte und Ausformungen der Freimaurerei, stellen wir uns kritisch und offen den aktuellen Themen der Zeit.

Beispielgebend für unser wechselseitiges Fordern, Fördern und Erkennen umfasst unsere Arbeit die fundierte Ausarbeitung eines Themas, der sich eine diskursive Analyse der ethischen Werthaltigkeit anschließt. Daraus gewinnen wir gemeinsam individuelle Erkenntnis und vertieftes Bewusstsein als Grundlage für kompetenteres Handeln in der Welt.

Leicht ist es nicht das Verschieden sein, aber bereichernd. Beherrsche dich selbst.

Ich denke, wir alles wissen, wie wichtig die Anwesenheit ist. Sitzen wir doch lieber in vollen Kolonen als leeren. Je mehr von uns hier sind, umso vielfältiger und bunter werden die Diskussionen. Das wollen wir doch alle, oder?

Doch wie kommt man überhaupt in den Schwarm der Loge?

Die Aufnahme von neuen Vögeln ist wohl immer der kritischste Punkt. Auch hier schaft das Hausgesetz die Ordnung, Art (7). Mit Leben erfüllen müssen wir es gemeinsam.

Die erste Grundsatzfrage stellt sich schon bei der Auswahl:

  • Muss man Maurer aus der Masse erkennen oder
  • machen wir Menschen zu Maurern?

Je nachdem, welcher Idee man folgt, laufen die Prozesse unterschiedlich.

Je nach Zugang muss die Loge anderes handeln.

Allein die Frage: Wer ist ein Suchender für uns, ist weit schwieriger zu beantworten als das der Katechismus es uns weiss machen will: Ich tappte im Dunklen und suchte das Licht, das heißt für jeden etwas anderes.

Die Antwort können wir nur in der Gruppe finden und muss immer wieder aufs Neue neu gefunden werden. Denn jeder neue Vogel verändert den bestehenden Schwarm. Er entwickelt sich.

Auf den Schultern der Interviewer liegt eine große Verantwortung. Die Verantwortung herauszufinden, ob der Vogel am Ende des Tages in unseren Schwarm als Ganzes passt oder nicht.

Die Frage ist nicht, den würde ich den gerne in unseren Reihen sehen, sondern, ist er ein Gewinn für unsere Reihen gesamt, selbst wenn ich nicht ganz grün damit bin. Das Interesse der Loge als solches zu erkennen und über das eigene zu stellen, und sich zu beherrschen, da gehört vieles dazu.

Ein gutes Interview zu führen und darüber berichten zu können, ist sicher die Königs-Disziplin und wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe, die wir hier gemeinsam vergeben können.

Es braucht aber nicht nur Interviewer in einer Loge, sondern bei jeder Arbeit einen jeden von uns.

Eine Arbeit hier kann man auch mit einem Orchester ohne Dirigenten vergleichen. Jeder hier ist Musiker und Dirigent zeitgleich. Schaut um euch!

Wir merken sofort, ob die Hammerführenden das Ritual leben oder nur herunterklopfen. Wird Branko heute motiviert mit dem Sack der Wiege durch die Kolonnen gehen oder tut er nur seine Pflicht? Wie hat Susanne heute die Gäste angekündigt? Solche Aussagen kann man über jeden treffen. Wir alle beobachten, fühlen und werden beobachtet voneinander.

Am Gelingen einer Arbeit sind wir alle beteiligt. Wenn nur einer desinteressiert ist oder glaubt das geht in nicht an, der irrt. Am Bau des Tempels braucht es jeden, besonders die Querköpfe, Nonkonformisten, Mahnenden, etc. Wer das ad personam ist?

Nun das muss jeder für sich herausfinden, wer das für ihn ist.

Auch wenn es uns manchmal schmerzt, aber am Ende zwingen uns genau diese Geschwister dazu, über unsere Handlungsweisen und Vorstellungen nachzudenken und diese zu hinterfragen.

Erkenne dich selbst klingt leicht ist aber oft eine schmerzvolle harte Übung.

Als liberale Freimaurer sollte dieser kritische Austausch aber in unser DNA stecken.

Wir haben uns vorgenommen, dies mit offenem Visier zu leben, auch wenn das manchmal schwerfällt. Beherrsche dich selbst

Die persönliche Begegnung der Geschwister ist von den freimaurerischen Grundsätzen des „Erkenne, Beherrsche und veredle Dich selbst“ getragen. Wir verpflichten uns im Umgang miteinander zu einem respektvollen Geben und Nehmen in gegenseitiger Wertschätzung und dennoch kritischer, aber gelassener Auseinandersetzung.

Es ist unser Auftrag, destruktivem Verhalten, im Besonderen, Selbstsucht, Ignoranz und Heimlichkeiten bei uns und bei anderen entgegenzuwirken.

sagt uns der Leitfaden.

Das haben wir uns zum Ziel gesetzt als Loge, als Schwarm.

Zum Gesetz haben wir gemacht:

Die Logos und ihre Mitglieder bekennen sich zu absoluter Gewissensfreiheit, Toleranz und Pluralismus sowie Forderung und Förderung der gemeinsamen Aus- und Weiterbildung. Art 1, Abs 6 des Hausgesetzes.

Das müssen wir leben das ist unsere Flugordung, die wir uns selbst gegeben haben.

Die Essenz daraus für mich:

Das Hausgesetz kann uns nur die Ordnung, wie wir fliegen sollen, vorgeben, nicht aber wohin unsere Reise geht. Wenn uns die Ordnung, in der wir auf dieser Reise fliegen, nicht passt, dann können wir sie natürlich verändern.

Das setzt aber voraus, dass wir die aktuelle kennen, verstehen und leben.

Wenn es um Änderungen der Reise, den Flug, an sich geht, auf dem wir uns befinden, dann können wir diese nur gemeinsam entwickeln. Mit von oben herab ex lege über das Hausgesetz wird es nicht gehen, auch wenn das manchmal als der einfachere Weg erscheint.

In diesem Sinne schließt kurz die Augen und denkt nach, und zwar nicht nur heute:

Was will ich noch wissen zu dem Thema?

Wo sehe ich mich oder wen anderen in der Zukunft?

Kann ich mir ein Amt vorstellen?

Soll ich einmal ein Seminar mitgestalten?

Was kann ich sonst für die Loge tun?

Wen oder was braucht es gerade?

Was wünsche ich mir von der Loge?

Wo muss ich mich selbst bei der Nase nehmen?

Was wünsche ich mir von meinen Geschwistern?

Will ich jetzt Co-Baustücke hören oder eine Diskussion mit vielen Meinungen erleben?

Der Bürge als Bürde

Der Bürge als eine Bürde wie soll das gemeint sein? Ist der Bürge nicht eine Person, welche in einen anderen Menschen so viel Vertrauen setzt, dass er sogar an seiner Stelle bis in den Tod gehen würde? Der kann doch keine Last, eine Bürde, sein?

Wir alle erinnern uns mal mehr, mal weniger noch an unsere Schulzeit und an die Bürgschaft von Friedrich Schiller, welche wir wahrscheinlich alle lernen durften, wo es heißt:

„Und schweigend umarmt ihn der treue Freund

Und liefert sich aus dem Tyrannen.

Der andere zieht von dannen.“

Doch wofür bürgt der treue Freund? Nun, im Text bürgt er für die Rückkehr seines Freundes. Er gibt sich als Pfand für seinen Freund.

Unzweifelhaft lässt sich erkennen, dass es sich hier quasi um ein Geschäft dreht. Ein zugegebenermaßen makabres.

Geschlossen von zwei Menschen, zwischen welchen ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen muss. Würdet ihr für einen euch Wildfremden bürgen, nachdem was ihr nun wisst?

Nun, ich werde euch jetzt nicht die Bürgschaft von Bruder Schiller zitieren.

Dazu gibt es ein unübertreffbares Baustück von Bruder Richard, der sich leider schon i.e.O. befindet. (ZUM NACHLESEN IST ES DIESEM BAUSTÜCK ALS ANHANG ANGEHÄNGT)

Wie wir nun gehört haben, liegen die juristische Bürgschaft und das Pfandrecht sehr nahe beieinander.

Gemein ist beiden, dass ein anderer oder eine andere Sache für eine Schuld herhalten muss, wenn sie der Schuldner nicht begleicht.

Soweit man es rechtshistorisch fassen kann, ist man auf schriftliche Quellen angewiesen. Die Bürgschaft, aber auch das Pfand, stellten in allen alten Kulturen ein „heiliger“ Akt dar.

Diesen physischen Akt, mit dem eine Bürgschaft, sprich die Übernahme einer Schuld eines anderen gegenüber einem Dritten, zustande kam, kennen und verwenden wir noch heute. Es war und ist der Handschlag, mit dem eine Bürgschaft besiegelt wurde.

Zu finden bereits im alten Testament: Ich verbürge mich für ihn, aus meiner Hand magst du ihn zurückfordern. Gen. 43,9 EU oder „Aus dem Buch der Sprichwörter“ [Salomo]: Mein Sohn, wenn du Bürge geworden bist für deinen Nächsten, für einen anderen deine Hand eingeschlagen hast, bist du verstrickt durch die Worte deines Mundes, gefangen durch die Worte deines Mundes.

Weiters aus dem Buch der Sprichwörter „Wer für einen Fremden bürgt, ist übel daran; wer den Handschlag ablehnt, geht sicher“ (Spr 11,15)

In diesem Fall eignet sich die Bibel gut als historisches Dokument – deckt sich hier mit vielen Dokumenten aus vorgriechischer Zeit. Leider ist es mir nicht möglich, jetzt alle vorgriechischen Quellen mit Verweisen auf Bürgschaften und Pfandrechte zu erklären. Dies würde den Rahmen sprengen. Nur so viel sei gesagt, aus jeder Rechtskultur, die uns Schriften hinterlassen, sind diese Institute bekannt.

Im alten Griechenland diente die Bürgschaft (engýisi) neben dem Pfandrecht (enéchyru) ebenfalls der Besicherung. Auch steckt im griechischen Wort für Bürgschaft εγγύηση, engýisi der Handschlag in Form des Wortteiles εγγύ – griechisch für „in die Hand“.

Auch heute spricht man von Handschlagqualität, wenn man meint, dass ein Mensch auch ohne schriftlichen Vertrag zu seinen Zusagen steht.

In die Runde gefragt: Wer denkt nicht an einen Handschlag, wenn er ein Geschäft fixieren will oder anders, welche Gefühle kommen bei euch auf, wenn euch ein anderer den Handschlag verweigert?

Später in römischer Zeit wurde die Bürgschaft mehr und mehr zu einer sakralen Angelegenheit. Man denke nur an die römische sponsio, deren großer Nachteil es war, dass sie nur von römischen Bürgen geleistet werden konnte. Der Gläubiger fragte den Bürgen:

Idem quod Maevius promisit spondesne? Versprichst du dasselbe, was Mavius versprochen hat? Der Bürge antwortete:  Spondeo, ich verspreche. Der Bürge tritt als eine Art Gesamtschuldner für den Hauptschuldner ein. Bei Nichterfüllung einer Sponsionsbürgschaft verfiel der Bürge an die Schwurgottheit. Soweit ich das in Erfahrung bringen konnte war das Jupiter.

Daneben gab es die weit praktikableren fidepromissios (Treueversprechen) und auch noch die fideiussios (akzessorischen Bürgschaften), da diese auch von nichtrömischen Bürgen geleistet werden konnten.

Im Kern ist die Bürgschaft wie auch das Pfandrecht seit der griechisch-römischen Antike mehr oder weniger unverändert in unserem Rechtsbestand geblieben.

Sie ist bis heute die Übernahme / Garantie für ein Versprechen eines anderen gegenüber einem Drittem.

Doch wer ist der Mensch, der für einen anderen bürgt?

Der einzige Vorteil, den man aus einer Bürgschaft ziehen kann, ist, dass sich die Bande zwischen Bürgen und demjenigen, für den er sich verbürgt, vertiefen.

Ein finanzieller oder anderer materieller Mehrwert springt meistens für den Bürgen nicht heraus. Er war und ist auch nicht vorgesehen.

Unter dem Strich zahlt sich die Bürgschaft für denjenigen, für den gebürgt wird, weit mehr aus als für den Bürgen.

Damit ist die Bürgschaft ein ziemlich einseitiges Geschäft. Dem Bürgen werden alle Pflichten auferlegt, wie sie derjenige hat, für den er sich verbürgt.

Da kommt einem doch die Frage in den Sinn: Wer geht so ein Geschäft als Bürge für einen anderen ein?

Der muss wahnsinnig sein oder aber ein treuer Freund.

Doch was bedeutet die Bürgschaft in der Freimaurerei?

Vieles dazu ist ungeschrieben und quasi Gewohnheitsrecht. Auch hat sich die freimaurische Bürgschaft in den letzten 300 Jahren stark verändert. Doch gibt es schriftliche Quellen? Sehen wir uns doch einmal unsere geschriebenen Gesetze der Maurerei an (es sind nicht viele):

Nun in den Alten Pflichten von 1723 findet sich ein erster Hinweis:

Bewerber mögen nur wissen: Ein Meister soll einen Lehrling nur dann annehmen, wenn er ausreichende Beschäftigung für ihn hat. Damit könnte implizit eine Bürgschaft gemeint sein.

Der Appell von Straßburg aus 1961? Fehlanzeige!

Die Neuen Pflichten von 1974 schweigen sich zu diesem Thema aus und verweisen nur auf die Alten Pflichten.

Mehr schriftliche Regelwerke kennt unsere Maurerei nicht. Doch gibt es niedergeschriebenes Gewohnheitsrecht?

Nun, ein erster Hinweis findet sich im Freimaurerlexikon unter „Bürge“.

Quint Essenz:

Es ist de facto logen- bzw. systemautonom wie die Bürgschaft ausgestaltet ist.

Ein paar konkrete Punkte werden dennoch erwähnt:

  • Der Bürge verpflichtet sich, nur Menschen (ja, es heißt „Männer“) von gutem Ruf der Loge zuzuführen
  • Bei manchen haftet der Bürge auch für die materiellen Verpflichtungen seines Mündels.(wenn aufgenommen)
  • Die Bürgschaft erlischt mit der Aufnahme in den Meistergrad
  • Nur Meister können bürge

Nicht gerade ergiebig aber ein Anfang.

Etwas weiter geht hier das ältere Handbuch der Freimaurerei von Lennings (1900):

Bürge wird derjenige Meistermaurer genannt, der seiner Loge gegenüber sich für die Würdigkeit eines Bewerbers um die Aufnahme in den Bund ausspricht, dabei die Verpflichtung übernimmt, an seine Teile den Aufgenommenen zu erinnern und zu ermahnen, wenn er nach der Aufnahme seinen Verpflichtungen nicht nachkommen sollte.

Dieses Verhältnis besteht fort bis die Aufgenommene in den Meistergrad befördert (sic) ist.

Bei der großen Sorgfalt die bei der Aufnahme neuer Mitglieder beobachtet wird ist der Bürge vor allem verpflichtet zu bedenken, ob er den, den er empfiehlt, genau kennt und ob er sicher überzeugt ist er werde im Bunde Befriedigung finden und zugleich dem Bunde zur Ehre gereichen.

Soweit wie möglich muss er Beweggründe des Aufnahmesuchenden erproben und darf bei der Empfehlung keinerlei Rücksichten auf seine außermaurischen Verhältnisse nehmen.

Wie sieht es nun bei uns in der LGL und Logos aus? Wir wissen nun aus der Literatur, dass es logenautonom oder systemautonom ist mit ein paar wenigen weiteren Eckpunkten.

Nun ein erster Blick in die Konstitution der Großloge war nicht sehr ergiebig. Da heißt es nur:

Die inneren Angelegenheiten der Mitgliedslogen (im Besonderen die Wahl des Rituals, die Wahl der aufzunehmenden Srr und/oder Brr) liegen in der Entscheidung und Verantwortung jeder Mitgliedsloge.

Damit der direkte verweis auf die Logenautonomie:

Als nächstes der Blick in das Hausgesetz der LL.: Logos, wo es heißt:

Art 4. Wer Freimaurer oder neues Logenmitglied werden will, muss – als allgemeine Voraussetzung – ein freier Mensch, unbescholten, von gutem Ruf und mindestens 24 Jahre alt sein sowie durch Vermittlung eines Bürgen aus der Loge, der aktiver Meistermaurer sein muss, ein Ansuchen um Aufnahme stellen.

Weiter unter 4.1.

Jeder Bürge übernimmt nach bestem Wissen und Gewissen auf Maurerwort die Verantwortung dafür, dass der Suchende den Anforderungen der Freimaurerei und der Loge entspricht und willens und in der Lage ist, die Verpflichtungen eines Freimaurers in geistiger und materieller Hinsicht zu erfüllen und über die anlässlich der Aufnahme anfallenden und laufenden Kosten informiert ist.

ART 7.1 Der/die namhaft gemachte/n Bürge/n, jedenfalls aber die logeninternen, müssen der 1. Lesung beiwohnen und sind ebenso wie alle anwesenden aktiven Logenmitglieder zur Stellungnahme einzuladen; in Folge ernennt der MvSt drei aktive Meistermaurer der Loge als Befrager des Ansuchenden.

ART 7.3 Ein Suchender wird unmittelbar nach der Ballotage, Entscheidung des MvSt oder des BR von einem seiner logeninternen Bürgen über den faktischen Ausgang, nicht aber formellen Ablauf der Ballotage informiert und gegebenenfalls vom Aufnahmetermin in Kenntnis gesetzt.

Auch unser Hausgesetz ist sehr weit gehalten und lässt viel Interpretationsspielraum offen.

Doch wie steht es im Ritual? In unserem Ritual zur Aufnahme heißt es:

Vor dem Einlassen der Suchenden in den Tempel fragt der

MvSt:      Wer bürgt für sie?

VM:         Ich, im eigenen Namen und im Namen von 3 ordentlichen Meister-Mitgliedern dieser gerechten und vollkommenen Loge.

Jeder von uns, der hier einen Platz eingenommen hat ,für den haben 4 Meistermaurer gebürgt zumindest rituell. Eine simple Inkonsistenz zwischen Ritual und HG? Oder bewusst die Trennung vom „profanen“ HG und rituellen Ritual? Ich habe es nicht herausgefunden!

Sonst schweigt sich auch das Ritual zum Bürgen aus.

Einen letzten Hinweis gibt uns der Suchenden-Leitfaden.

Viele Fakten hab ich euch jetzt präsentiert.  Die juristische Bürgschaft sowie die maurische soweit in Texte gefasst. Auch habt ihr von mir ein paar Texte bekommen.

Doch was ist die maurische Bürgschaft? Ist sie ein Symbol, welches dazu gehört oder aber eine aktive Angelegenheit? Ein Symbol oder eine echte Arbeit.

Ich erzähle euch gerne gradgrecht, was die Bürgschaft für mich darstellte:

Es war so im Herbst 2014, ich war wie so oft in einem kleinen dunklen burgenländischen Sportverein. Da traf ich jemanden, der auch nicht in diese Höhle passte. Wir waren beide ein wenig verschieden zum Rest. Ich mit meinen 25 Jahren sowieso und er – nun, es fällt mir schwer, es zu definieren, was es war – es war einfach ein Gefühl.

Eines Samstagnachmittags im Herbst fragte er mich, ob ich an Vorträgen interessiert sei.

Das Thema war ein Buchvortrag über Wirtschaft. Das Thema für mich hoch spannenden und horizonterweiternd. Menschen, die zuhörten und diskutieren konnten. Das war was Neues für mich.

Das passte gar nicht zu dem Ort, wo wir ein paar Tage vorher noch waren.

Auf dem Heimweg fragte mich diese Person, ob ich den wüsste, wer da dahintersteckte. Ich musste gestehen, dass ich keine Ahnung hatte.

Er sagte es mir und ich war sprachlos.

In diesem Moment gingen mir so einige Sachen durch den Kopf.

Warum ich? Wie komme ich dazu? Was siehst du in mir? Der Ort des Kennenlernens passte so überhaupt nicht zu dem soeben Erlebten.

Neben diesen Fragen stand ein seltsames Gefühl des Angekommenseins.

Einen Satz werde ich auch nie vergessen: „Ich will dein Bürge sein“.

Nach all dem, was ich damals über Bürgschaften wusste, vertraute mir mein Gegenüber wohl sehr.

Natürlich kam in mir die Frage auf: „Kann ich diesem Vertrauen gerecht werden? Was wird von mir erwartet?“.

Unglücklicherweise ist mein Bürge ein Meister der Schweigekunst.

Die Antworten auf viele auch nicht gestellte Fragen lautete immer O-Ton: Das wirst du noch rausfinden und viel schlimmer Du kannst es Googlen, aber willst du dir die Freude verderben?

Es brach das Jahr 2015 an, mein „Bürge“ – wie er jetzt für mich hieß – meinte, ich soll ein Ansuchen schreiben und einen Lebenslauf, er wird das weitere veranlassen. Tröpfchenweise kamen die Informationen, wie der weitere Weg nun aussehen werde, zurück. Gespickt mit vielen, vielen Fragen.

Auch im heute genannten Profanen stand er mir bei, sei es mich und ohne meine Ballbegleitung nach Hause zu fahren oder einen gemeinsamen Segeltörn zu planen. Er war da.

Dann im Frühjahr bekam ich Besuch von drei Geistern – wie ich sie damals nannte.

Den ersten Geist erwartete ich vor Aufregung gleich eine Woche zu früh.

Beim zweiten Geist kam ich zu spät ins Café

und mit dem dritten Geist wurde es dunkel.

Nervös war ich nach jedem Mal. Was denken die wohl von mir? Wurde ich meinem Bürgen gerecht. Wusste ich doch, dass dieser für mein Verhalten gegenüber anderen wohl einstehen musste.

Jedes Mal, wenn ich Angst bekam, wer war da, er, mein Bürge.

Sei es, diese Peinlichkeiten zu teilen oder manch anderes, er hörte mir immer zu und gab mir gute Ratschläge und neue Blickwinkel.

Dann der große Moment der Aufnahme. Ich wieder einmal so nervös, dass ich 18:00 mit 19:00 verwechselte und nach einem Anruf meines Bürgen, wo ich den sei, vom Büro in Richtung Hofburg lief.

Ein guter Anfang, schon wieder zu spät., dachte ich mir, auch wenn es nicht meine Art ist.

Aber keine Worte des Tadels, sondern nur Worte der Sorge um mich kamen von meinem Bürgen. Die Aufnahme war schließlich da, und es war wundervoll. Jeder von euch – glaub ich-  kennt noch dieses Gefühl.

Am Nachhauseweg – wieder zwei Uhr in der Früh in meiner Tiefgarage -kamen dann aber wieder die mahnenden Worte:

Auch du wirst Baustücke halten müssen. Das erste ist ein Ich über mich, das wird nicht kommentiert, da kannst du reden was du willst. Mach aber keinen Lebenslauf, den kennen schon alle. Sag was über dich.

Das zweite wird was aus der Werklehre sein. Da schlafen eh immer alle, wenn man zum x-ten Mal den Spitzhammer hört. Das ist auch noch leicht, da hast du auch noch Welpen-Bonus. Halte dich an die Werkslehre, dann wird nichts schief gehen. Aber dann, dann zu deinem ersten freien Baustück musst du dich auf Wiederworte gefasst machen. Schreib also gute Baustücke und überlege gut was du schreibst.

Gefühlt blieben mir zwei Baustücke zum Leben.

Bevor es maurerisch weiterging, flog ich mit meinem Bürgen auf den lang ersehnten profanen Segeltörn in die Karibik. Auch dort mahnende Worte und viel Beistand bei all meinen Problemen, die ich so hatte und machte.

Geldbörse und Kreditkarten auf mehreren Inseln verstreuen.

Wetterbericht abhören, funken lernen, mit einer schwedischen Stewardess einfach so eine Nacht am Strand verbringen, ohne was zu sagen,

und vielem mehr. Bei all dem, er war einfach da oder ein aktiver Grund dafür.

Wieder zurück in Europa die erste Rituelle Arbeit in der eigenen Loge.

Noch schnell vom Bürgen nach dem Tempelaufbau die Sitzordnung erklärt bekommen.

Lehrlinge im Norden, Gesellen im Süden und Meister, wo sie wollen.

Auf meine Frage, wie er sich den entscheide, wo er als Meister sitzen will, sagte er:

Wenn ich am Rauen Stein Arbeiten will im Norden, wenn ich am anderen Stein Arbeiten will im Süden.

Wie es der Abend so wollte, saß ich im Norden und er im Süden strengen Blickes in meine Richtung, ob ich auch richtig im Zeichen stehe oder nicht usw.

Ich wusste, dass nach dem Baustück Wortmeldungen erlaubt waren, doch was soll ich sagen und vor allem wie?

Da war es wieder das Gefühl der Erwartungshaltung. Mein Bürge hat mich doch hierhergebracht mit einer gewissen Erwartungshaltung; was ist, wenn ich diese nicht erfülle?

Da kam mir der heutige Titel in den Sinn.

Der Bürge als Bürde. Auf dem Hauptschuldner liegt die moralische Last, sich und den Bürgen nicht zu enttäuschen. Doch wie schafft man das?

Muss ich jetzt immer einer Meinung mit meinem Bürgen sein, um diese Schuld zu begleichen, damit die Bürgschaft nicht schlagend wird?

Ein Gedanke der mich fesselte. Wusste ich doch um die Schwierigkeiten meines Bürgen mit einzelnen Themen. Doch wie handeln, was soll ich tun ,noch dazu jung und neu?

Es dauerte bis ich draufkam, dass ich einem fundamentalen Denkfehler aufgesessen bin. Ich habe die dritte Person der Bürgschaft vergessen. Den Gläubiger.

Der Gläubiger ist hier die Loge. Meine einzige „Schuld“, die besteht, ist die dem Gläubiger gegenüber. In diesem Fall, ein ordentliches Mitglied der Loge zu werden. Der Bürge übernimmt nur die Verpflichtung, dass ich eines werde und nicht welches.

Nun, aber auch ich war glaube, ich für meinen Bürgen eine Bürde.

Eine Fernbeziehung eingehen und so sein Gehalt mitzufinanzieren war ja noch erträglich, aber modernste Technik wie E-Books abzulehnen oder manch anderes wie autonome Autos, das ging gar nicht.

Aber stehts war er da mit offenen Worten, sei es profan als auch maurerisch und brachte mich so weiter nach vorne.

Wann und ob die Bürgschaft endet ist bei uns nicht klar definiert. Der Suchenden-Leitfaden gibt es so als Brauch wieder. Manche sagen mit Erhebung in den Meistergrad.

Meine erste Bürgschaft erlosch früher. Ich wurde Waise. Mein Bürge wechselte die Loge. (Wegen ein wenig Druckerschwärze auf weißen Papier.)

Für mich nicht nur der Verlust meines Taxis nach Hause, wobei ich zugeben muss am Motorrad als Mitfahrer fühle ich mich bis heute nicht wohl. Besonders dann, wenn man um Mitteinacht beim Zentralfriedhof vorbeifährt und die Totenglocke läuten hört.

Nein es war mehr viel mehr, was verloren ging. Ein treuer Freund ging verloren.  Eines hat er mir immer klar vermittelt und aus dem konnte ich Kraft schöpfen. Bleib dort wo du dich wohl fühlst. Lass dich nicht beeinflussen.

Auch das Wissen, dass er ja in der Kette bleibt machte es mir leichter.

Waise blieb ich zum Glück nicht lange. Schon bald danach, beim Tempelabbau fragte mich ein Bruder, ob ich schon einen neuen Bürgen hätte und wenn nicht würde er das gerne übernehmen, wenn es für mich in Ordnung geht.

Es war für mich ein wunderschönes Gefühl des Angekommenseins.

Nicht nur einer, sondern auch ein anderer war für mich ein treuer Freund geworden.

Ich kann in dieser Arbeit leider nicht mehr über den weiteren Weg mit meinem neuen Bürgen schreiben – es wäre nicht gradgerecht. Nur so viel sei gesagt: mein „neuer“ Bürge hat mich ebenso gut zur Meisterschaft gebracht wie mich mein alter in die Freimaurerei.

Ihr seid mir beide gute Bürgen und ich hoffe, ich bin für euch immer ein guter Hauptschuldner unserem gemeinsamen Dritten gegenüber.