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Der Missbrauch der Sprache und des Wortes

Artikel / Buch:

Als sich Alexandria Ocasio-Cortez[1] eine Besuchserlaubnis für eines der Internierungslager an der mexikanischen Grenze besorgte und in einem Live-stream über die Zustände berichtete, gebrauchte sie das Wort „Konzentrationslager“, in der Beschreibung der Zustände in dem Lager und auf Basis einer Autorin (Andrea Pitzer –„Globalgeschichte der Konzentrationslager“), in dem sie den Vorwurf erhoben hat: „Die Vereinigten Staaten schüfen ein Konzentrationslagersystem“ aufgrund der Tatsache, dass eine Masseninternierung von Zivilisten ohne Gerichtsverfahren erfolge“.

Nach dieser Aussage von Cortez erfolgte ein Massenaufschrei von verschiedenen Organisationen und in Leserbriefen. Der Aufschrei mündete bald in der Gasse der historischen Analogien, in einem virtuellen Brüllwettbewerb über den Holocaust, in dem auch das Holocaust-Museum in Washington die Abgeordnete Cortez kritisierte: „Nichts könne schlimmer sein, als der Holocaust, deshalb dürfe auch nichts mit ihm verglichen werden“. Die andere Seite erklärte, dass wir aus der Geschichte nur dann vorsichtige Lehren ziehen können, wenn wir uns ab und zu klarmachen, dass es Ähnlichkeiten geben könne“.

Durch die Abgrenzung dieser gräulichen Straftaten, seien es Konzentrationslager oder Gulags, alleinig für bestimmt Vorkommnisse, werden diese Begriffe mythologisiert, da es unvorstellbar erscheint, dass es möglich sein köne, diese Ereignisse irgendwann einmal nur noch als Grautöne wahrzunehmen. Dadurch, dass Konzentrationslager oder Gulags überhöht und mythologisiert werden, wird der Vergleich mit heutigen angelehnten Situationen demgegenüber verharmlost, bzw. als etwas im Vergleich auf geschichtlicher Ebene Geringeres dargestellt, als etwas, dass nicht geschehen darf und kann, und es daher auch nicht geben kann. Und somit werden auch die Täter, die diese Internierungslager fordern, einrichten und mit Steuergeldern finanzieren, auch nicht zu Verbrechern, da es ja so etwas Böses nicht mehr geben darf und es daher auch nicht geben kann.  (Zitat: Masha Gessen).

Also sind die Berichterstatter, die über so etwas berichten, böse, da sie „Fake News“ verbreiten. Und schon hat sich der Spieß umgedreht und die Bösen sind die Guten und die Aufdecker, die kritischen Stimmen, sind die neuen „eigentlichen“ Feinde der Gesellschaft.

Ein Missbrauch der Sprache durch Lüge, also der bewussten und vorsätzlichen Täuschung, um die Gesellschaft zu polarisieren, abzuschotten und ein vermeintliches WIR zu schaffen, dass geheiligt und beschützt werden muss, war Anlass für mich, diese Zeilen zu Papier zu bringen.

Eine Teilung der Gesellschaft in ein WIR, die dem allgemeine „Mainstream“ folgen und dies unreflektiert gutheißen, impliziert damit auch automatisch eine Polarisation zu den Anderen, denen da draußen, die vielleicht auch rein wollen, ähnlich sein wollen, aber nicht sollen.

Worte sollten, damit diese eine soziale und kulturelle Bedeutung haben und uns als Sprache dienen, eindeutig und unmissverständliche Einheiten sein, die dazu dienen eine Kommunikation zu ermöglichen, oder etwa nicht mehr?

In jedem Wort steckt auch ein Stück Macht: Mit Wörtern macht man Politik. Doch Demokratie lebt von der Vielfalt der Sprache, denn unter Sprache versteht man im allgemeinen Sinn, alle komplexen Systeme der Kommunikation.

Wer die Sprache hat, hat die Macht. Wer die Bedeutung der Wörter bestimmt, bestimmt den Diskurs. Und wer den Diskurs beherrscht, beherrscht Meinungen und Emotionen.

In letzter Zeit fällt mir jedoch auf, dass zunehmend Kunstgriffe und fast schon zauberhafte Verwandlungen der Wörter und deren Bedeutung stattfinden, um Fakten zu verändern oder anders darzustellen. Das Beispiel „Fakenews“ aus meiner letzten Rede möchte ich hier nicht wiederholen sondern anhand von einigen neuen Beispielen meinen Gedankengang erläutern.

Vorausschicken darf ich, dass ich als Naturwissenschaftler und Analytiker es gewohnt bin, dass es die absolute Wahrheit nicht gibt; und als philosophisch denkender Mensch in „unserem Literaturklub“ ist es mir auch eine Selbstverständlichkeit, dass Graubereiche und Schattierungen notwendig sind.

Ich bestreite auch nicht, dass es oft schwierig, ist das Richtige, das Wahre zu erkennen, zu oft ändert sich der Standpunkt durch die Erzählung mehrerer, d.h. den ersten Eindruck, den man gewinnt, ist immer nur eine Seite des Würfels. Durch die Erzählungen anderer verändert sich die Sicht oft um 90° bis 180° und lassen den Würfel von einer anderen Seite erscheinen.

Einige Beispiele die meine Gedanken verständlich machen sollen, wie sich Worte wandeln oder missbräuchlich verwendet werden.

Beginnen wir mit dem Wort:

EXPERTEN [2]

Experten sind definitionsgemäß Personen, die über überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet oder über spezielle Fähigkeiten verfügen. In meiner Arbeitswelt habe ich es oft mit Experten zu tun, die in ihren jeweiligen Fachgebieten über entsprechend vertieftes Wissen verfügen. In der Politik schaut es da schon ganz anders aus, siehe die vielen parlamentarischen Vorträge, bei denen einzelne Abgeordnete über Themen referieren, die sie weder erlernt, noch studiert, geschweige denn über das sie ein vertieftes Wissen verfügen. Dennoch treten sie als Experten auf. Auch in Experten-Kommissionen sitzen oftmals Personen, die vielleicht erweiterte Managementfähigkeiten besitzen oder parteipolitische Funktionen, aber oftmals keine Fähigkeiten auf speziell geforderten Fachgebieten. Von Experten darf man sich auch keine parteipolitisch neutrale Sachlichkeit erwarten. Oftmals sind mehrere Sichtweisen auf Sachverhalte vertretbar und dann werden die Experten halt so ausgewählt, dass die Meinungen und Ergebnisse vertreten werden, die gewünscht sind.

Experte ist also ein inflationär gebrauchter Begriff, der rechtlich nicht geschützt ist. Daher sollte man Experten ersten googlen (CV) und zweitens deren Aussagen zunächst einmal hinterfragen, denn die sogenannten Experten sollen oftmals für eine ideologisch motivierte unsachliche Politik herhalten.

FREIHEIT [3]

Freiheit ist die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können. Somit steht individuelle Freiheit als Selbstbestimmung in einem natürlichen Zusammenhang und Spannungsverhältnis zu anderen Werten.

Da die Freiheit des Einen oftmals zu Lasten der Anderen geht, darf man sich keinen falschen Illusionen von Freiheit hingeben und muss gewählte Freiheit stets mit Blick auf das Gemeinwohl prüfen. Freiheit ist nämlich nur dann etwas Positives, wenn sie andere nicht übermäßig in ihren Interessen beeinträchtigt.

In der heutigen Zeit und in der Politik wird das Wort Freiheit oft missbraucht. Offene Grenzen, freie Religionsfreiheit, freie Wirtschaft gelten uns heute als selbstverständliche Begriffe, doch wenn wir sie uns näher betrachten, dann sieht es etwas anders aus.

Die offene Grenze, die Bewegungsfreiheit, zumindest in der EU vor COVID-19, ist für manche eine echte Freiheit, die es ihnen ermöglicht, in einem anderen Land arbeiten und die Binnengrenze ohne regelmäßige Kontrolle passieren zu können. Für andere, die sich vor Kriminellen schützen wollen oder eine weitere Zuwanderung aus kulturellen oder anderen Gründen kritisch gegenüberstehen, eine Unfreiheit, weil ihnen ein Stück Sicherheit genommen wird.

Selbiges gilt für die Religionsfreiheit und deren Einrichtungen.

Daher ist die Gesellschaft darum bemüht, einen einheitlichen Wortbegriff für Freiheit zu schaffen, einen gemeinsamen Nenner, bei dem zwangsläufig nicht alle „freier“, sondern in Wirklichkeit alle „unfreier“ werden.

Damit werden verschiedene Interessen gleichgestellt, damit jeder, eingeschränkt zwar, aber dennoch möglich, eine allgemein verträgliche Freiheit leben kann.

Die Ungleichstellung einzelner Interessen, sei es politisch, religiös, geographisch, wirtschaftlich oder sonst wie, wird auch heute immer öfter gelebt, was zu einer Radikalisierung führt, die ausgenutzt wird, um andere „Äußere“ zu unterdrücken. Dies geschieht heutzutage v.a. in autokratischen Strukturen, aber auch in demokratischen Strukturen, in denen mit Unwahrheiten Ängste geschürt werden, Feinde hochstilisiert werden, um damit eine Unfreiheit zu etablieren, die weitere Beschneidungen im Namen der Freiheit zulassen. Selbiges gilt natürlich für wirtschaftliche Prozesse, in denen Arbeiter ausgebeutet werden (Stichwort: Billiglohnländer) oder im Umweltbereich (Mülltourismus, …).

Um es nicht zu lang zu machen, möchte ich noch das Wort TOLERANZ anführen.

TOLERANZ [4] – also das Gelten und Gewähren lassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten.

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass die Menschen von Natur aus wenig tolerant sind. Andersgläubige wurden und werden oft diffamiert, ausgegrenzt und verfolgt, bis zur Tötung oder Auslöschung hin. Daher musste die Menschheit die Toleranz, die Duldung und die Akzeptanz erfinden und definieren, also das Gewähren lassen abgelehnter Sachverhalte aus dem Grund, da eine Bekämpfung aufgrund von Gesetzen und gesellschaftlichen Verhältnissen bzw. aus moralischen Gründen nicht möglich ist.

Heutzutage werden Duldung oder Akzeptanz oft missbräuchlich als Toleranz bezeichnet und so manche Gruppierungen, wie politische Ausrichtungen, rühmen sich mit dem Begriff Toleranz. 

Die Flüchtlingsbewegung, die zur Migration verkommen ist, also von der Notwendigkeit zur Flucht gezwungen, um oftmals dem Tod zu entgehen, zur freiwilligen selbstbestimmten Not-losen Reise wird oftmals in der Politik und Gesellschaft mit dem Begriff der Toleranz belegt.

Weder humanitäre Hilfeleistungen noch die Facharbeiterdefinitionen sind zulässige Argumente für den Begriff Toleranz. Für beide Argumente gibt es besser Lösungen. Toleranz im Bereich der Sexualität stigmatisiert Homosexuelle oder Transgende-Personen.

Toleranz wird aus einer persönlichen, vermeintlich höheren Position gewährt und befeuert, damit das Hervorheben von Unterschieden. Nicht das Selbstverständnis der natürlichen Diversität steht im Vordergrund, sondern der persönliche oder gesellschaftliche Standpunkt der Differenzierung.

Muss ich Toleranz auch dicken oder dünnen, großen oder kleinen Menschen oder auch normalen, dem Durchschnitt entsprechenden Menschen aussprechen und wird nicht erst die Andersartigkeit damit betont?

2018 veröffentlichte Michiko Kakutani[5], eine ehemalige Literaturkriterin der NY Times, ein Buch mit dem Titel „Der Tod der Wahrheit[6], in welchem sie argumentiert, dass postmoderne[7] Denker, Trump und andere Autokraten erst den Weg geebnet hätten.

Vereinfacht gesagt, bestreitet die postmoderne Argumentation, dass jenseits menschlicher Wahrnehmung eine objektive Realität existiert, und behauptet vielmehr, dass Wissen durch die Prismen von Rasse, Geschlecht und andere Variablen gefiltert wird.

Dadurch, dass sie die Möglichkeit einer objektiven Realität abstritt und den Wahrheitsbegriff durch die Konzepte von Perspektive und Positionierung ersetzt, schrieb die Postmoderne das Prinzip der Subjektivität fest.

Sprache wird als unzulässig und instabil betrachtet – als Teil der unüberbrückbaren Kluft zwischen dem, was gesagt, und dem was gemeint ist – und selbst die Vorstellung von Menschen als vollständig rational handelndes, autonomes Individuum wird wiederlegt, da jeder von uns, bewusst oder unbewusst, durch eine bestimmt Zeit und eine bestimmte Kultur geprägt wird.

Aus Erfahrung wissen wir, dass niemand ganz alleine die objektive Welt in ihrer vollen Realität adäquat erfassen kann, weil sich die Welt dem Einzelnen stets aus nur einer Perspektive zeigt und offenbart, welche mit dem Standpunkt in der Welt korrespondiert und von diesem bestimmt wird.

Wer die die Welt, so wie sie „wirklich“ ist, sehen und erfahren will, so kann er es nur, indem er sie als etwas versteht, was vielen gemeinsam ist, zwischen ihnen liegt, sie trennt und verbindet, sich jedem anders zeigt, und daher nur in dem Maß verständlich wird, als viele miteinander über sie reden und ihre Meinung und Perspektiven miteinander und gegeneinander austauschen.

Nur mit dem Wissen des Erlernten und Erfahrenen als Experte, nur durch die Freiheit, miteinander zu sprechen, der Toleranz einander zuzuhören, erscheint die Welt als das, worüber wir sprechen, in ihrer Objektivität und ihrer Sichtbarkeit und zwar von allen Seiten!“


[1] Alexandria Ocasio-Cortez (* 13. Oktober 1989 in New York City), häufig auch bei ihren Initialen AOC genannt,[1] ist eine US-amerikanische Politikerin der Demokratischen Partei. Sie gehört seit Januar 2019 für den 14. Kongresswahlbezirk von New York dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten als dessen jüngste Abgeordnete an, nachdem sie in der Vorwahl den an vierter Stelle in der Parteiführung amtierenden Mandatsinhaber Joe Crowley geschlagen hatte. Ocasio-Cortez bezeichnet sich als demokratische Sozialistin.

[2] Experte (auch Fach- oder Sachkundiger oder Spezialist) oder Expertin ist eine Person, die über überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet oder mehreren bestimmten Sacherschließungen oder über spezielle Fähigkeiten verfügt. Neben dem theoretischen Wissen kann dessen kompetente Anwendung, also praktisches Handlungswissen, für einen Experten kennzeichnend sein.

[3] Freiheit (lateinisch libertas) wird in der Regel als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können. Der Begriff benennt in Philosophie, Theologie und Recht der Moderne allgemein einen Zustand der Autonomie eines Subjekts.

[4] Toleranz, auch Duldsamkeit,[1] ist allgemein ein Gelten lassen und Gewähren lassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten.[2] Umgangssprachlich ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung gemeint, die jedoch über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht.[3]

Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen tolerare („erdulden“, „ertragen“) entlehnt.[4] Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem 18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung, belegt,[5] ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als die eigene“.[5]

[5] Michiko Kakutani (geboren am 9. Januar 1955 in New Haven, Connecticut) ist eine amerikanische Publizistin und Literaturkritikerin. Als Hauptrezensentin der New York Times zählte sie bis 2017 zu den einflussreichsten, zugleich aber auch umstrittensten Literaturkritikern der USA.

[6] Der Tod der Wahrheit: Gedanken zur Kultur der Lüge, aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel (original: The Death of Truth. Notes on Falsehood in the Age of Trump), Klett-Cotta 2019, 197 S., ISBN 978-3-608-96403-5

[7] Dienten in der Moderne die Metaerzählungen noch dazu, gesellschaftliche Institutionen, politische Praktiken, Ethik und Denkweisen zu legitimieren, so geht in der Postmoderne dieser Konsens verloren und löst sich auf in eine Vielzahl von nicht miteinander zu vereinbarenden Wahrheits- und Gerechtigkeitsbegriffen.

Wahrheit versus Ergebnis

In unserem Videomeeting sind diesmal wir Gesellen an der Reihe, ein kurzes Referat zu halten, welches einerseits euch mehr von uns als Menschen, unserer Tätigkeit und unseren täglichen Abläufe in der Zeit von Corona vermitteln soll, aber auch natürlich einen Bezug zu unserer Gesinnung, der Freimaurerei beinhaltet.

Ich möchte euch daher anhand eines Beispiels aus meiner Berufswelt die Diskrepanz zwischen ergebnisorientiertem Verhalten und der Wahrheit, soweit ich sie zu definieren und erfassen vermag, näherbringen.

Im Hintergrund dieses Themas stehen die Fragen:

Was wollen wir glauben   –   was sollen wir glauben –  was ist eigentlich richtig?

Ich bin als Chemiker und Biologe auf dem Gebiet der Analytik und Beweissicherung von Umweltthemen tätig. Meine Auftraggeber, wie Bund, Gemeinde, Firmen oder Privatpersonen, beauftragen mich als Sachverständigen für die Überprüfung und Beurteilung von Untersuchungsergebnissen und darauf aufbauend auch mit der Erarbeitung von Maßnahmenplänen für weiter Handlungen, wie z.B. Sanierungen von Grundwasserverunreinigungen, Maßnahmen zur Gewässerregenerierung, Änderungen von Bescheiden und dergleichen.

Als Beispiel soll hier die Erfüllung von behördlichen Bescheid-Auflagen zur Beweissicherung eines Kunden dienen.  Ihr könnt euch das so vorstellen, dass ihr z.B. einen Badeteich oder einen Trinkwasserbrunnen habt und diesen regelmäßig untersuchen lassen müsst, ob die Qualität noch in Ordnung ist. Ihr als Besitzer beauftragt ein Labor für die Probenahme und Analyse und mich mit der Beurteilung und Auswertung der Ergebnisse, wobei die Ergebnisse in einem Bericht der Behörde vorgelegt werden müssen.

Die Messergebnisse sind nun aus verschieden Gesichtspunkten zu bewerten (Rahmenbedingungen):

  1. Chemisch-analytisch: Wie ist der Messwert, wie wurde er analysiert, nach welcher Norm, mit welchem Verfahren, mit welchen Geräten und mit welcher Messunsicherheit.
  2. Ökonomisch: Kann der erhobene Parameter durch andere Parameter ersetzt werden, welches Labor wurde beauftragt (Kosten der Untersuchung bzw. Konkurrenz zwischen den Labors).
  3. Gesetzlich und Gesellschaftspolitisch: Was, wenn Messwerte über Grenzwerten liegen (besteht Handlungsbedarf? Ist ein Gefahrenpotential gegeben?).

In meinem konkreten Fall wurden von dem Labor Messergebnisse in einem Prüfbericht vorgelegt, die plausibel waren, d.h. die augenscheinlich richtig und im Vergleich zu den Vorjahren kaum Veränderungen aufgezeigt haben. Nach vertiefter Begutachtung haben sich diese Ergebnisse allerdings als falsch herausgestellt. Dies, indem bei der Analyse die Reinheit der Geräte nicht gewährleistet war, und damit die Genauigkeit nicht mehr eingehalten werden konnte bzw. wurden im Labor zu hohe Werte gemessen, wurden nachträglich eigenmächtig korrigiert, damit sie ins Schema passen und wenn die Analyse irrtümlich komplett vergessen wurde, wurden Messwerte schnell erfunden.

Ein Skandal? Ein Verbrechen? – Klar, dass ich aber nur durch akribische mühevolle Arbeit aufdecken konnte und es mich über ein Jahr gekostet hat, sowohl meinen Auftraggeber als auch die Behörde zu überzeugen, endlich Maßnahmen zu ergreifen. Ein Labor übrigens, das europaweit tätig ist, ein Großkonzern, der auch als Hauptlabor für die Untersuchungen von Covid-19 Tests tätig ist – nur so nebenbei.

Schlimm, oder? Aber mal ganz ehrlich, wer von euch hat schon einmal seinen Blutbefund hinterfragt, wie diese Messwerte zustande kommen oder die Statistik der Neuinfektionen?

Was ist die Ursache für diese gesetzeswidrigen Handlungen, die fehlende Qualität und die Manipulation?

Wenn die einwandfreie Analyse Zeit und Geld verschlingt und es uns als Gesellschaft wichtiger ist, unmittelbar – also zeitnahe – ein Ergebnis zu bekommen, dass dadurch aber mit einer höheren Unsicherheit versehen ist (Stichwort COVID-19-Sicherheit von 60-85% – ob positiv oder negativ), und wir zusätzlich verlangen, dass die Kosten möglichst niedrig sein müssen, besteht die Gefahr, dass dies die Unternehmen zwingt, den Qualitätsmaßstab immer niedriger zu setzen. Also letztendlich gleicher Output bei geringeren Kosten, was wiederum zu einem erhöhten Konkurrenzdruck beim Mitbewerber führt und dieser ebenso  gezwungen wird, so zu agieren, bis irgendwann von Qualität nichts mehr übrig ist!

Wie gut kann und muss ich ein Ergebnis absichern, damit dieses richtig und gültig ist? Auch dazu gibt es Normen und Verfahrensvorschriften, auch dazu werden die Labors von der Behörde jährlich überprüft, begutachtet und müssen, um vergleichbar zu sein, eine Akkreditierung aufweisen.

Die Behörde oder die Gesellschaft kann aber immer nur überprüfen, was ihr vorgelegt wird, und wenn man im Vorhinein weiß, wann wer was untersuchen wird, wann und wo Augenmerk auf eine bestimmte Sache gelegt wird, dann besteht die Möglichkeit, genau dort eine entsprechend höhere Anzahl an Tests, die etwas genauer gemessen werden, und besser qualitätsgesichert sind, vorzulegen. Befinde ich mich aber am Rand des Sichtfeldes oder gar außerhalb, dann trifft mich womöglich die ganze Wucht der ökonomischen Einsparungen.

Die Ergebnisse werde allerdings alle einheitlich gestaltet, ohne dass ersichtlich ist, wie gut die Qualitätssicherung im Hintergrund funktioniert hat, sodass jedermann davon ausgehen kann, dass alles bestens analysiert wurde, weil ja erstens akkreditiert, von der Behörde auditiert, nach Norm analysiert und unter dem Schutz einer riesigen Qualitätsüberwachung eines multinationalen Konzern gemessen wurde.

Auf welcher Grundlage, nach welchen Werten handeln wir?

Was, wenn die Werte nun ungenau oder womöglich manipuliert sind?       

Kann ich als Einzelner überhaupt noch die Ursachen, die Parameter und Regeln erkennen?

Wenn ich einen Wollpullover in der Waschmaschine mit Wollprogramm und niedriger Umdrehung, handwarm oder kalt wasche und im Ergebnis mein Pullover nur noch für eine Puppe taugt, weil er eingegangen ist, wer oder was war dann schuld daran, wenn ich alle Vorgaben erfüllt habe? Die Waschmaschine, die Temperatur, die Umdrehungszahl, das Waschmittel, oder war die Qualität des Pullovers doch nicht 1A?

Wir werden mit einer Fülle an Informationen versehen, haben verständliche Anzeigen und eine vermeintlich logische Auswertung. Wir bekommen klare Ergebnisse vorgesetzt und vermögen gar nicht mehr die Hintergründe zu sehen, die zu einem Resultat führen.

Für mich bedeuten meine Erfahrungen im Berufsfeld, aber auch in dieser Zeit der Krise und Einschränkung, dass hinter jedem präsentierten Ergebnis eine Erwartung oder vielleicht sogar eine Vorgabe steht, die erfüllt werden soll, sei es aus eigenem Verlangen (ein Cholesterinwert unter 200 ist besser als einer über 400!) bzw. eine geringe Zahl an Covid-19-Infizierter sich besser verkauft, eine geringe Schadstoffkonzentration im Trinkwasser natürlich wünschenswert ist.

Als Freimaurer bin ich offen für verschiedenste Erwartungshaltungen und Pluralität in der Sache, aber ein Messergebnis sollte doch immer nachvollziehbar, transparent und der Wahrheit entsprechen und NICHT den Bedürfnissen entsprechend manipuliert sein.

Denn wenn Maßstäbe oder Werte im Generellen verändert werden, wenn ein rechter Winkel nicht mehr 90 Grad beträgt und eine schiefe Optik oder ein krummes Verhalten gesellschaftlich als „lotrecht“ verkauft werden, mache ich mir schon Sorge um unsere Zukunft.

Trotzdem glaube ich, so wie unser Bundespräsident, daran: Wir sind nicht so! Und wir werden auch diese Krise, womöglich verändert, aber sicherlich reifer überstehen.

Ein Weg der kleinen Schritte, ein Werk von vielen unterstützenden Händen geschaffen und ein scharfer Blick ist es, was notwendig WAR, IST und ERHALTEN werden muss, damit wir als Gesellschaft weiterhin sicher, frei, glücklich und befriedet leben können.

Also bleibe ich weiterhin achtsam und tolerant, und wenn es nötig ist, pinkle ich als kleine Ameise dem Elefanten ans Bein!

Blick-Winkel

„Der Zirkel bildet mit dem Winkelmaß und der Bibel die großen Lichter der freimaurerischen Symbolik. Während das Winkelmaß mehr nach Vernunft und Gesetz regiert, ordnet der Zirkel – das Symbol der allumfassenden Menschenliebe – das Gefühlsleben, die seelische Einstellung zur Brüderschaft und zur Menschheit.“ So das Zitat aus dem Internationalen Freimaurerlexikon.

Soweit die Definition; so einfach und verständlich, oder auch nicht.

Der Zirkel ruht mit einer Spitze in mir und weist mit der anderen Spitze auf eine Schwester oder einen Bruder und symbolisiert somit die Nähe und die Verbundenheit. Je nach Öffnungswinkel, den ich mit dem Zirkel einstellen kann, steht mir dieser Mensch näher oder weiter entfernt gegenüber.

Ich nehme also Maß und ordne damit mich umgebende Menschen in ein Wertesystem ein.

Wie aber schaut die Beziehung aus, wenn ich kein Maß definiere. Wie verhält es sich dann mit der Einstellung zur Geschwisterlichkeit und Menschenliebe.

Ist die Liebe auch dann vorhanden, wenn ich dieser Beziehung kein solches Wertesystem zu Grunde legen kann?

Definition von Raum:

In einem dunklen Raum ohne Bezugsgrößen herrscht Ordnungs- und Orientierungslosigkeit. Ohne Raum und ohne Zeit ist ein ICH von einem DU oder einem WIR nicht unterscheidbar. Selbst wenn ICH mir über MICH klar wäre, so fehlt mir doch eine wesentliche direkte Bezugsgröße zu anderen Dingen, um das SEIN zu erklären. Ich benötige also ein Werkzeug, mit dem ich Maß nehmen kann und damit einen Bezug von Dingen zueinander einteilen kann.

Euklid von Alexandria war ein griechischer Mathematiker, der wahrscheinlich im dritten Jahrhundert vor Christus gelebt hat. Eines seiner berühmtesten Werke „Die Elemente“, ist eine Abhandlung, in der er Arithmetik und Geometrie seiner Zeit zusammenfasst. Darin sind erstmals Definitionen und darauf aufbauende Postulate enthalten und zusammengefasst, die weiter zu Axiomen (= Grundsätze oder Theorien) führen. Auch wenn er wahrscheinlich nicht Urheber aller in dem Buch enthaltener Definitionen und Erkenntnisse war, so ist es doch sein Werk, das damalige Wissen in einem Gesamtwerk zusammenzufassen und eine einheitliche akzeptierte Darstellung zu schaffen.

Ein Punkt, eine Linie, eine Ebene, ein Winkel, ein rechter Winkel, ein Abstand zweier Punkte im Raum – mit dem Lineal gemessen -, ein Algorithmus oder eine Gleichung: all das wird definiert und bildet die Grundlage des mathematischen Wissens und der Geometrie der damaligen Zeit.

Ich kann einen Raum definieren. Somit steht jeder Punkt im Raum zueinander in Relation. Durch die Schaffung von Raum ist es möglich, ein System zu etablieren, in dem jeder sich orientieren kann. Ich kann Orte definieren, ein Koordinatensystem mit einem Zentrum und definierten Grenzen. Ich kann nun mittels Zirkel einen Kreis oder eine Kugel, wenn wir Dreidimensional denken wollen, abschlagen und alle Geschwister innerhalb dieser Grenze als Einheit oder Grundgesamtheit definieren – mit gleichen Ansichten und gleicher Nähe.

Ohne Raumbezug wäre ein Treffen der Geschwister nicht möglich – wo, wann? Erst der Raum, das Abschlagen mittels Zirkel, ermöglichen es, uns zu orientieren und einander zu finden. Uns innerhalb dieser Kreisgrenze zu treffen und auszutauschen. Wir definieren diesen Raum als Grenze und geben ihm die Wertigkeit von innen und außen. „Wir arbeiten in Sicherheit“!

Dieses Abschlagen mittels Zirkel ist ein Abgrenzen gegenüber anderen. Diese Grenze zwischen innen und außen definiert nicht nur Freiheit zu etwas, sondern auch Freiheit von etwas. Wir schaffen eine Grenze, mit der wir uns von anderen bewusst unterscheiden.

Sind wir Freimauer nun Menschen, die sich dadurch bewusst ausgrenzen, obwohl uns die Menschheit doch ein wesentliches Anliegen sein soll? Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit, Toleranz und Humanität – wie verträgt sich dies mit der Schaffung bewusster Grenzen? Und wie schaut es innerhalb dieser Grenze mit den Werten zwischen den Geschwistern aus?

Der mittels Zirkel abgeschlagene Raum definiert einen exakten Rand. Treffen wir uns zu unseren Arbeiten, so stehen und sitzen wir – ausgerichtet nach Himmelsrichtungen und symbolischen Bezugsgrößen – einander gegenüber. Wir stehen in der fest verbundenen Geschwisterkette am Rande einer geschaffenen Kreisgrenze und orientieren uns zu einem Zentrum. Alle Geschwister haben denselben Abstand und doch andere Positionen. Wir sind einander und miteinander verbunden. Ausgerichtet zu einem geschaffenen Zentrum zwecks geistiger und körperlicher Konzentration.

Selbst wenn nur zwei Geschwister zusammentreffen, wird durch den Bezug dieser beiden Geschwister, durch den geschaffenen Abstand und Winkel zueinander, ein definierter Raum mit einem Zentrum geschaffen. Ein jeder von uns definiert seinen eigenen Raum, seine eigene Umlaufbahn und seine eigenen Bezugspunkte zu anderen Mitmenschen. Durch das Umherwandern auf seiner Umlaufbahn, durch das Verharren auf Schnittpunkten und Kreuzungspunkten mit anderen Umlaufbahnen anderer Geschwister, ist es möglich, verschiedene Standpunkte einzunehmen, ohne sein eigenes System verlassen zu müssen.

Wir bewahren bewusst oder unbewusst einen Abstand, ein jeder findet sich zurecht und verliert sich nicht in Raum und Zeit.

Definition von Zeit:

Durch das wiederholte und aufeinanderfolgende Abschlagen einer Größe wie dem Kreisradius auf der Kreisumlaufbahn, gelange ich stets zum Ausgangspunkt zurück. Das Wandern auf dieser Umlaufbahn mag Sinnbild unseres Lebens sein, eine stete Abfolge von Beginn und Wiederkehr zum Ausgangspunkt, wobei Anfang und Ende zwar den gleichen Ort haben, doch unterschiedliche Zeiten aufweisen.

Der Umfang des Kreises ist definiert als 2r π bzw. Φ π oder anders ausgedrückt, ergibt sich durch eine exakte Größe des Radius – ein nicht exakter Umfang des Kreises mit unendlich vielen Nachkommastellen, so als würde uns der Kreis die Unendlichkeit des Seins vor Augen halten, der steten Bewegung auf der Umlaufbahn und steten Wiederkehr zum Ausgangspunkt.

Durch das Abschreiten und Wiederkehren definiert sich ein Anfang und ein Ende, und ich vermag diese Zeit einzuteilen, Halbzeiten zu bestimmen und schaffe damit ein Koordinatensystem sowohl für Raum und Zeit. Ich beginne die Arbeit zu Hochmittag und beende sie zu Hochmitternacht. Wodurch ich wieder gleich lange Zeit außerhalb dieser Arbeit zur Verfügung habe, bevor wieder Hochmittag kommt.

Der Kreis wurde nun in zwei Hälften unterteilt. Erst diese Unterteilung führt nun zur Auseinandersetzung von Gegensätzlichem wie Tag-Nacht, hell-dunkel, männlich-weiblich, gut-böse, lebendig-tod, fest-flüssig, warm-kalt und so fort.

Durch diese neue Größe vermag ich die Wertigkeit der Einheit neu aufzuteilen und zu vergleichen.

Der Kreis unterteilt in zwei Hälften, die ineinander übergehen und stetes miteinander verbunden sind. Wie die Abfolge des rechten Schrittes auf den Linken, um mich fortzubewegen, so folgt auf den Tag die Nacht, auf die Arbeit die Ruhe, auf den Tod die Wiedergeburt.

Schlägt man den Radius eines Kreises entlang seiner Kreisbahn ab, so erhält man 6 bzw. 2 x 3 Schnittpunkte, bevor man wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Verbindet man die Schnittpunkte, die durch den rechten Schenkel entstanden, miteinander und jene, die mit dem linken Schenkel entstanden sind, so erhalten wir zwei gegengleiche Dreiecke, die auch als das Siegel Salomons bezeichnet werden.

„Die sind die Schlangen und Drachen, welche die alten Ägypter in Gestalt eines Zirkel gemalet, da der Kopf in den Schwanz beißt, um dadurch zu lehren, dass sie von und aus Dingen entsprossen, welches allein und für sich selbst genug sei, dass es in seiner Rundierung und Zirkulation sich vollkommen mache.“ Zitat: Nicolas Flamel – Buch der Hieroglyphischen Figuren (Nicolas Flamel – *1330 – † 1413 – franz. Schriftsteller und Alchemist).

Zwei Drachen, die sich in den Schwanz beißen, einer unbeflügelt als das Fixe und Beständige, der andere beflügelt als das Flüchtige und Unbeständige, die sich gegenseitig verzehren, als Symbol der schöpferischen Zeugung.

Anmerkung meinerseits: Stets in der Rechtsrotation, also im Sonnenlauf!

Neben den zwei Hälften oder zwei Standpunkten gibt es noch die Mitte und den Raum dazwischen. Ich vermag einen Anfang, eine Mitte und ein Ende auszumachen oder zeitlich gesehen eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft.

Wie im Dreieck, dass durch den dritten Punkt eine neue Position erlaubt, welche es versteht, zwei Gegensätze zu vereinen und zu verbinden und somit eine neue Einheit formt. Aus These und Antithese entsteht die Synthese.

Die Baumeister verstanden es bereits, dass die Verbindung zweier Punkte statisch besser durch einen Bogen als durch eine Gerade zu erfolgen hat. Während sich eine Gerade unter Einwirkung von äußeren Kräften durchbiegt und somit zu einer Ablenkung der beiden Standpunkte zueinander hinführt, wodurch der Abstand der Punkte verringert wird, ermöglicht der Bogen die Ableitung der Kräfte entlang des Bogens selbst und führt zu einer Ausdehnung des Kreissegments nach außen, so als möchte er Raum schaffen für Neues.

Basierend auf dieser Erkenntnis, dass nun ein jeder von uns seinen eigenen Raum, seine eigene Umlaufbahn hat, unsere Umlaufbahnen einander überlagern und kreuzen, so können wir Schnittpunkte definieren, an denen wir den gleichen Standpunkt einnehmen und doch unterschiedliche Perspektiven haben können.

Wie die Geschwisterkette, in der jeder von uns miteinander verbunden ist auf einer vollkommenen geometrischen Figur. Würde man an jedem Punkt der Kreisbahn nun eine Tangente anlegen, also eine Gerade, die den Kreis nur an einem Punkt berührt, erkennt man, dass ein jeder von uns im rechten Winkle zum Mittelpunkt steht und doch haben wir unterschiedliche Positionen. Und durch das Fortschreiten, die Rotation ist es uns möglich, andere Standpunkte einzunehmen unter Wahrung der Distanz zueinander und in Bezug zum Zentrum als Vollkommenheit.

Es lässt uns aber auch durch das Abschreiten des Kreises auf unseren beiden Säulen, als Metapher einer anderen Bezugsgröße, die Möglichkeit der Sichtweise auf das Innen und Außen, auf das Vollkommene und das Menschliche möglich werden.

Neben dem Zirkel ist aber auch das Winkelmaß von entscheidender Bedeutung. Es ist Symbol für die Gewissenhaftigkeit, dass unser Handeln nach Recht und Gerechtigkeit erfolge. Es wird angelegt an die menschlichen Handlungen, auf dass sie erkannt werden als frei von Eigennutz, getrieben vom inneren Drang, ohne äußeren Zwang, in voller Erkenntnis des Rechten und Pflichtgemäßigem – so das Zitat aus dem Internationalen Freimaurerlexikon.

Die beiden großen Lichter „Zirkel und Winkelmaß“ liegen auf dem dritten großen Licht, der Bibel im Osten der Loge beim Meister vom Stuhl.

Der Zirkel liegt mit den Schenkeln geöffnet nach Westen und das Winkelmaß offen nach Osten. In der Darstellung dieser Symbole werden diese auch so angeordnet, mit dem Zirkel oben und dem Winkelmaß unten bzw. dem geistig Spirituellen – dem Himmel -, dem Weiblichen oben bzw. dem Menschlichen – dem Männlichen -, dem Irdischen unten.

Auch sind diese Symbole sehr schön in unserem Logenlogo zu erkennen mit einem Kreis der alles umrandet, der beides eint und als Einheit steht für den Kosmos, in dem jede Vielheit enthalten ist.

Der Zirkel als mächtiges Werkzeug, Maß zu nehmen, Raum und Zeit zu definieren, Größen zu übertragen und Bezüge herzustellen. Als Mahnung der Unendlichkeit und Toleranz und Humanität. Mit seinen Armen, die mich mit den Geschwistern verbinden, das Zentrum der Vollkommenheit erkennen lässt, Grenzen aufzeigt und mich davor bewahrt, grenzenlos zu agieren und mich zu verlieren.

Durch diese Erkenntnis der symbolischen und auch physischen Verbundenheit, der Definitionen von Raum und Zeit, von innen und außen, von Freiheit und Verbundenheit, die Schaffung von notwendigen Abgrenzungen, eines Zentrums der Erkenntnis und des Lichts, vermag ein jeder von uns, einer Schwingung gleich, sei es Ton oder Licht, mit einer Abfolge von hell und dunkel und/oder einer Schwingung positiv und negativ, von einem Zentrum ausgehend, diese Grenze zu durchbrechen, und damit unendlich weit den Raum zu erhellen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, von Hochmittag bis Hochmitternacht, vom Zenit bis zum Nadir – allumfassend, wie herinnen durch das Wort, draußen durch die Tat.

Der Zirkel mahnt aber auch zur Bescheidenheit. Wie der Umfang im Verhältnis zum Durchmesser ungenau ist, ist die Sichtweise der Verheißung einer Entschlüsselung geheimer Codes und verlorener Symbole als Mittelpunkt des freimaurerischen Rituals ungenügend.

Damit die Werte eines gleichermaßen auf Herkunft wie Zukunft bezogenen Humanismus im Bewusstsein der Menschen heutzutage präsent sind, müssen sie auch vermittelt werden. Hierzu bedarf es eines individuellen und gemeinsamen Nachdenkens – Zitat: „Die völkische Freimaurerei in Deutschland und wie man sich nach 1945 an sie erinnert“ – Hans-Hermann Höhmann, Leipzig 2014.

Deshalb bedarf es zur Sicherung humaner Lebenswelten NICHTS so sehr wie die Menschen – einzeln und in verschiedenen Gruppen – kooperativ zusammen zu binden oder wie Friedrich Schiller sagte: „Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raum stoßen sich die Sachen“.

Die Freimaurerei will ein Freundschaftsbund sein, der über alle weltanschaulichen, politischen nationalen und sozialen Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet. Wir Freimaurer folgen damit der speziellen Tradition, Trennendes zu überwinden, Gegensätze abzubauen, Verständigung und Verständnis zu fördern sowie Menschen zu verbinden.

Wir befinden uns aber auch an der Schnittstelle zwischen Freimaurerei und Gesellschaft. Wir streben nach Wahrheit, Toleranz und Geschwisterlichkeit. Wir grenzen uns bewusst ab, um in Sicherheit, in einem vertrauten sich wiederholenden Ritual zu arbeiten. Ein jeder bearbeitet seinen Stein, folgt seiner Umlaufbahn und toleriert Fremdes. Wir suchen nach Wahrheit durch das Nachdenken über die in den Ritualen und Symbolen verborgenen Lehren.

Erst durch diese Gegebenheiten, diese Handlungen vermag ich mein Leben zu ordnen und zu bestreiten.  Es ist Basis des Miteinander innerhalb der Geschwisterkette und Grundlage für mein Handeln in der profanen Welt.

Und so setze ich erneut meinen Zirkel an, gegründet in meinem Herzen, und vollführe einen Zirkelschlag ohne Ausgrenzung, aber mit Abgrenzung, leiser nur und bewusster doch.

Der Blick-Winkel, ein Erkenne dich selbst als Werkstück über den Zirkel.