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Der Lehrbrief (StefanS., Andreas B.,Markus J., Claudia B.)

Gemeinschaftsbaustück Andreas B., Claudia E.-B., Markus J. und Stefan S.

  Einleitung   STEFANAls Lehrlinge haben wir maurerisches Wissen erlangt und wurden zum Gesellen befördert. Als Gesellen wurden wir in die Welt ausgesandt um unser Wissen anzuwenden, uns bei anderen Meistern und Logen umzusehen. Damals wurde uns der Lehrbrief aus dem Buch „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ von Johann Wolfgang von Goethe als Leitlinie mit auf den Weg gegeben.   Als Grundlage für die Struktur und den Aufbau dieser Arbeit diente der Lehrbrief, in dem die Erkenntnisse auf dem Lebensweg von Wilhelm Meister, von der bürgerlichen Gesellschaft über die Theatergesellschaft und die Adelsgesellschaft bis zur Turmgesellschaft, zusammengefasst werden.   Wir 4 Gesellen haben gemeinsam unter Verwendung maurerischer Denkansätze –erworben auf Reisen in unserer Gesellenzeit – den aus SIEBEN Absätzen bestehenden Lehrbrief, in seiner Bedeutung hinterfragt und – angereichert mit unseren ganz persönlichen Lebenserfahrungen – interpretiert.   Lasst uns unsere Reise beginnen als Reise von Gedanken zwischen Gefühlen, Realität, Fremdbestimmung, Egoismus, Erkenntnis, Selbstbestimmung, Erfüllung und Gemeinsamkeit.:  
   ALLE GG setzen sich  
  MUSIK    2  Sonata No. 21 in C Major. Op. 53 „Waldstein“ I. Allegro con brio – Ludwig van Beethoven  
       
LICHT BLAUSTEFAN steht auf 
  STEFANDie Kunst ist lang, das Leben kurz,  das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig. 
   ANDREAS steht auf
   ANDREASDie Kunst überdauert die Zeit, der Mensch jedoch nicht. Aber der Mensch setzt durch die Kunst Zeichen, die sein Dasein und sein Wirken dokumentieren und benützt die Kunst auch zum Nachweis der Wertevorstellungen seiner Zeit. Die subjektive Sicht zum objektiv richtigen Urteil zu machen, erfordert Zeit zu überlegen. Zeit die man oft nicht hat. Manchmal hilft das Bauchgefühl bei flüchtigen Gelegenheiten die richtige Entscheidung zu treffen, manchmal trifft man aber auch die falsche Entscheidung. Dennoch muss man Handeln, denn sonst besteht das Leben aus einer Aneinanderreihung nicht genützter Chancen.
     STEFANHandeln ist leicht, Denken schwer;  nach dem Gedanken handeln unbequem. Aller Anfang ist heiter, die Schwelle ist der Platz der Erwartung.
   ANDREASDenken vor der Handlung widerspricht oft den eigenen Wünschen, ist daher unangenehm, aber Wünsche und Gefühle verleiten gerne zu „unbedachten“ Handlungen. Verantwortungsvolles Handeln und das ist die Schwelle zum reifen Menschen, setzt Disziplin, Konsequenz und planendes Denken voraus.
     STEFANDer Knabe staunt, der Eindruck bestimmt ihn,  er lernt spielend, der Ernst überrascht ihn.
   ANDREASDer Knabe beobachtet begeistert die schöne Welt und glaubt alles.   Vorbilder, Ideale und emotionales Lernen beeinflussen das Leben, formen das jugendliche Denken, erlauben Fehler, die im Chaos unserer Pubertät ihren Höhepunkt finden und viele „verbrannte Finger“ hinterlassen. Der Ernst überraschte uns, als das rationale Denken plötzlich zur Übernahme von Verantwortung führte.
     STEFANDie Nachahmung ist uns angeboren,  das Nachzuahmende wird nicht leicht erkannt.  Selten wird das Treffliche gefunden, seltner geschätzt.
   ANDREASNachahmung ist ein überlebensnotwendiges Naturgesetz – ansonsten würde jede Generation das Rad neu erfinden müssen:  Es ist aber mühsam nicht Nachahmungswürdiges wie Sippenhaftung und Blutrache trotz Tradition zu erkennen und sich auch davon zu distanzieren. Von den Alten vermittelte Werte sind nicht unbedingt nachahmungswürdig aber auch nicht unbedingt wertlos und zu verachten. Man muss neben „Beobachten und Nachahmen“ auch Denken gelernt haben, um kritisch hinterfragen zu können und an der richtigen Moral und Ethik Orientierung zu finden. Unterschiede in Bildung und Aufklärung bedingen unterschiedliche Wertvorstellungen, woraus Spannungen zwischen den Kulturen entstehen. Nur so viel Bildung aus und in allen Kulturkreisen wie irgend möglich, kann diese Spannungen und Kriege verhindern. Gerade wir als Freimaurer haben die Verantwortung für Bildung weltweit zu sorgen, wenn wir unsere Maxime ernst nehmen und eine wertvolle Gemeinschaft sein wollen.
   ANDREAS und STEFAN setzen sich
  MUSIK    #  3Summer (L‘Estate) Op.8 No.2 G Minor: Presto (Tempo Imettuoso d‘Estate) – Antonio Vivaldi
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LICHT GRÜNSTEFAN steht auf 
   STEFANHöhe reizt uns, nicht die Stufen;  den Gipfel im Auge wandeln wir gerne auf der Ebene.  
   MARKUS steht auf
   MARKUSDie Erkenntnis, die höhere Sicht der Dinge, neue Blickwinkel, die Suche nach der Wahrheit und der Wille, sich selbst zu verändern. Der Weg dorthin erscheint mühsam. Wir sind gerne bequem, wollen nicht eigenständig denken und handeln, auch jede Veränderung erscheint schwierig. Das Ziel muss so wichtig sein, dass wir die Stufen in Kauf nehmen und zu zielorientiertem Handeln bereit sind.   Im Wandeln auf der Ebene, also ohne persönliche Veränderung, werden wir niemals die andere, höhere Sicht der Dinge erreichen können.
     STEFAN Nur ein Teil der Kunst kann gelehrt werden,  der Künstler braucht sie ganz.   
   MARKUSHier sehen wir einerseits die bildenden und darstellenden Künste und anderseits die königliche Kunst der Freimaurerei. In beiden Fällen kann nur ein Teil von außen vermittelt werden. Der andere Teil kommt aus der Begabung, geschieht intuitiv und ist inhärent oder muss durch eigene Wahrnehmung (schau in dich, schau um dich) und eigenes Handeln erlernt werden.  Der wahre Meister braucht beide Teile.  
     STEFANWer sie halb kennt, ist immer irre und redet viel;  wer sie ganz besitzt, mag nur tun und redet selten oder spät.  
   MARKUSNichtwissen und Dummheit mit irren Reden und langem Geschwafel zu vertuschen sind eine große Gefahr. Da müssen wir achtsam sein! Jene, die am wenigsten wissen, sind oft die, die alles zu wissen glauben oder vorgeben, aber keine Selbstreflexion üben. Das sehen wir täglich in allen Bereichen des profanen Lebens. Hier geht es aber auch um die Geheimnisse des Bundes der Freimaurer. Der wahre Künstler und Meister zeichnet sich durch sein Handeln (…draußen durch die Tat…) aus, nimmt sich zurück und spricht wohl überlegt. Allerdings gibt es auch Situationen in denen wir zum Schwert greifen und uns lautstark dagegenstellen müssen. SOFORT – zu spät wäre auch falsch.  
     STEFANJene haben keine Geheimnisse und keine Kraft,  ihre Lehre ist wie gebackenes Brot,  schmackhaft und sättigend für einen Tag.  
   MARKUSGeschwätz redet über vieles, Wahres, Falsches, Unwichtiges, selten Gewichtiges. Geschwätz gefällt, ist unterhaltsam, leicht verdaulich und rasch vergessen. Dazu fallen uns auch die vielen egoistischen, nicht vorausdenkenden Menschen (Blender, Gaukler, Politiker?) ein, die auf kurzfristigen Erfolg aus sind und das große Ganze nicht in ihrer Gedanken- und Lebenswelt berücksichtigen, die Honig ums Maul schmieren und die Menschen abfüllen und kaufen. Nach dem Rausch kommt aber das böse Erwachen! Die Geheimnisse und das Nicht-Offensichtliche gilt es zu verstehen und immer wieder neu zu sehen, um davon zu zehren und neue Energie zu schöpfen; diese Herausforderung soll andauern und uns immer wieder aufs Neue beschäftigen und uns neue Sichtweisen erlauben.  
     STEFANAber Mehl kann man nicht säen,  und die Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.  
   MARKUSWenn Gedanken inhaltslos werden, wirken sie nicht mehr befruchtend, wenn Güter verprasst werden, kann man daraus keine Gebäude mehr errichten ::::  Ein Heller und ein Batzen die waren beide mein, der Heller ward zu Wasser, der Batzen ward zu Wein…
 Alles versoffen, das Haus verspielt und alles Porzellan zerschlagen…   Grundrechte, Menschrechte, Würde und Freiheit mussten schwer erkämpft werden und müssen uneingeschränkt immer gelten!   Entscheidungsgrundlagen dürfen nicht verschleiert werden. Dies erfordert wahrhaftige Kommunikation von Fakten und objektive und unabhängige Medien.   Unser aller Eigenheiten, unsere unterschiedlichen Profile, unsere Steine sind wichtig und befruchtend für die Gemeinschaft!  
   MARKUS und STEFAN setzen sich
 MUSIK #  4Libertango – Astor Piazzolla  
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LICHT ROTSTEFAN steht auf  
    STEFANWorte sind gut, sie sind aber nicht das Beste.  Das Beste wird nicht deutlich durch Worte.   
   CLAUDIA steht auf 
   CLAUDIASondern das Beste entsteht durch Tun! Den Worten müssen auch Taten folgen. Das Gesprochene oder Geschriebene alleine gibt möglicherweise kein getreues oder vollständiges Bild, es bietet Raum für Miss-Interpretation oder im schlimmsten Fall kann es manipulieren. „Das Beste“ wurde oft und unterschiedlich definiert, je nach Zeitalter, Gesellschaftsnormen und Religion. Das Beste für uns Freimaurergesellen ist Liebe, Respekt, Achtung, Bescheidenheit, Gerechtigkeit, Weisheit, Toleranz und Mäßigung …  
     STEFANDer Geist, aus dem wir handeln, ist das Höchste.  Die Handlung wird nur vom Geiste begriffen und wieder dargestellt.  
    CLAUDIAGrundsätzliche Einstellungen, Moral und Ethik leiten uns; diese und die Beweggründe für unser Handeln erlauben uns erst eine Beurteilung unseres Tuns und damit die Reflexion am Gebäude der Menschlichkeit. Überstürztes Handeln und das sogenannte „Bauchgefühl“ sind wohl wichtig um rasch entscheiden zu können (Angriff-Flucht – Starre), aber erst Taten, die nach reiflicher Überlegung, im Geiste unserer Freimaurer- Grundsätze ausgeführt werden, zählen zum Besten.  
     STEFANNiemand weiß, was er tut, wenn er recht handelt; aber des Unrechten sind wir uns immer bewusst.  
   CLAUDIAFalsch wird immer leichter erkannt als Richtig. In der Gleichheit tritt das Abnorme stärker hervor. Unser Tun soll und ist durch Moral und Ethik und durch Werte geprägt; diese haben wir individuell durch Prägung oder Imitation verinnerlicht und folgen diesem Code unbewusst. Für ein Abweichen von diesem rechten Weg sind somit eine bewusste Handlung oder bewusste Gedanken erforderlich, die dann unser gutes Gewissen meist beschäftigen.    Jedoch: Unrechtes Handeln ist keineswegs immer jedem bewusst, hier irrt Goethe!!     Die Wissenschaft konnte nachweisen, dass eine fehlende Struktur in der Amygdala, einem Teil des Gehirnes, die Fähigkeit unrechte Handlungen zu erkennen unmöglich machen kann!!  – bevorzugt zu finden bei sehr erfolgreichen Leuten, da dieser „Hirnschaden“ ihnen die Möglichkeit gibt „über Leichen zu gehen“ um ihre Ziele zu erreichen, ohne es zu registrieren und ohne ihr Unrecht zu erkennen. Die Frage: „Können wir aus unserer Haut heraus?“, muss für uns Freimaurer beantwortet werden mit „Ja, wir müssen, indem wir an uns arbeiten, reflektieren und uns immer vor Augen halten rechtes und unrechtes Handeln zu erkennen!“   Das Richtige, Rechte und Gute wird immer vorausgesetzt und selten beachtet. Lasst es uns anerkennen!  
     STEFAN  Wer bloß mit Zeichen wirkt, ist ein Pedant,  ein Heuchler oder ein Pfuscher.   
  CLAUDIA  Der Pedant klammert sich an Konventionen, der Heuchler übernimmt vermeintlich die Meinungen der Anderen und der Pfuscher sucht den schnellen Weg; alle drei machen sich keine eigenen Gedanken und sind Mitläufer. Wir Gesellen haben erfahren, dass auch Meister sich verirren können und sich hinter Zeichen und Ritualen verstecken. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass uns die Zeichen und Rituale auch das Zusammenleben vereinfachen können (Manieren, Gebote,…)? Zeichen können Ausdruck von Respekt sein und die Zusammengehörigkeit in einer Gruppe fördern.  
     STEFANEs sind ihrer viel, und es wird ihnen wohl zusammen.  Ihr Geschwätz hält den Schüler zurück,  und ihre beharrliche Mittelmäßigkeit ängstigt die Besten.  
  CLAUDIAGemeinsam gegrölt, geraubt, gemordet, verbirgt die Verantwortung für die Tat des Einzelnen. Wie bewahren wir uns unsere Tugenden, wie folgen wir unserer Pflicht? Pochen wir nicht nur auf unser emotionsgetriebenes Recht handeln zu dürfen, haben wir verlernt zu denken? Denn nur darauf hinzuweisen, wie es sein sollte, ohne selbst für die Ideale tätig zu sein ist Angeberei und wertloses Verhalten.   Gegen viele Dumme und deren überschwängliche Reden ist es schwierig der Richtigkeit seiner eigenen Gedanken sicher zu bleiben. Die Schüler, WIR, erkennen instinktiv das inhaltslose Geschwätz, weil dieses von Lehrern vorgetragen, völlig verunsichert. Das macht uns Angst!   Ja, wir Menschen sind verschieden und gerade die Besten – wer immer das auch ist? hoffentlich die Weisen – dürfen sich nicht ängstigen, sondern müssen behutsam lenken.  
   CLAUDIA und STEFAN setzen sich
  MUSIK    5  Lacrimosa – Wolfgang Amadeus Mozart  
PAUSEPAUSEPAUSE
   

Nur Lichterhimmel über TapisSTEFAN steht auf  
    STEFAN Nichts ist wie es scheint, und alles scheint wie es ist oder sein soll. Nur der Betrachter vermag zu entscheiden, wo auf dem Weg von Schein zu Sein er sich befindet.   Erkenne dich selbst, schaue in dich und um dich. Wir erkennen uns dank des Spiegels vor dem wir agieren, doch was wir verkörpern ist begrenzt, denn wenn der Vorhang fällt, hört der Schauspieler auf zu spielen und kehrt ins wirkliche Leben zurück. Die Schauspieler sind im wirklichen Leben genauso zu finden wie im Theater.   Schauspiel steht somit auch für Selbstbetrug und oft nur für die Begierde zu gefallen. Und diesen Betrug an sich selbst und an den Mitmenschen, gilt es zu erfahren. Dieser Weg muss selbst gegangen werden.   Authentizität – also die Echtheit im Sinne unserer Ursprünglichkeit ist gefragt, nicht die Kunst der Verblendung und Täuschung. Erkenne dich selbst, nimm dich wahr ohne dich zu verurteilen. Schaue um dich, siehe und erkenne andere und lasse ihnen ihre Position und ihren Raum.   Wir als Mitglieder im Bund sind uns auch nicht immer einig über den weiteren Weg, sind doch auch wir noch nicht am Ziel angekommen. Die Kunst ist bereits bekannt und deswegen müssen wir mit Besonnenheit und Vernunft agieren.   Ethik kann man traditionell als Form des guten Handelns definieren. Dabei gründet die Vorstellung vom Guten in einem dem Menschen angemessenen Verhalten. Der ethische Gehalt wird über die Rituale tradiert und so hat sich das freimaurerische Ritual über 3 Jahrhunderte nahezu unverändert gehalten und nach allerlei Reformversuchen wieder durchgesetzt, was darauf schließen lässt, dass diese Art der ethischen Einübung zwischenmenschlicher Umgangsqualitäten zu einer Lebenshaltung führen kann, die dem gesellschaftlichen Wandel standhalten kann.[1]   Doch wie im profanen Leben so auch hier im Tempel, der Mitte unserer Loge, werden Meinungsverschiedenheiten, Ansichten, Beweggründe mitunter sehr hitzig und mit Emotionen vorgebracht. Dies zeigt, dass Menschen fehlbar sind, irren können und erst durch Sprache und den Gebrauch von Symbolen einander erklären.     Die Distanzierung von sich selbst, der eignen Gleichstellung zu den Mitmenschen und das vernunftbetonte Handeln in einer Gemeinschaft sind die Ergebnisse dieses Bildungsweges, den jeder von uns gegangen ist.   Aktives Handeln und Arbeiten, sowie die Erkenntnis, dass ein Einzelnes kein Ganzes ist und auch nie sein kann, ist die Erleuchtung. Symbolisiert durch Steine, die jede und jeder für sich bearbeitet und glättet, damit sich diese als festes Fundament zusammenfinden um das Gebäude der Menschlichkeit zu tragen.   Der Platz an den wir unseren Stein setzen ist im harmonischen Gleichklang zu den anderen Steinen zu wählen und auch nur für den Moment passend. So ist das Symbol des Fundaments nicht als etwas Starres zu sehen, sondern auch als etwas Bewegliches, in dem die Steine, die Geschwister sich laufend weiterentwickeln und neu strukturieren, doch immer wieder neu zu etwas Starkem, Wertbeständigem zusammenfinden.   Wer dennoch, nach all dem Erfahrenen und Erlebten, dem Schicksal wieder Aufmerksamkeit schenkt, sei daran erinnert, dass das Verfehlen und das Irren als notwendige Ereignisse ewig bestehen bleiben und keiner davor gefeit ist ihnen nicht wieder zu erliegen. Wir bleiben ewig Lehrlinge und bedürfen einander um uns an den richtigen Weg zu erinnern.   Gemeinsam wollen wir am Gebäude der Menschlichkeit arbeiten, da wir den Wert des Gemeinsamen erkannt haben oder mit Goethes Worten gesprochen:   „Unglaublich ist es, was ein gebildeter Mensch für sich und andere tun kann, wenn er, ohne herrschen zu wollen, das Gemüt hat, Vormund von vielen zu sein, sie leitet, dasjenige zur rechten Zeit zu tun, was sie doch alle gerne tun möchten, und sie zu ihren Zwecken führt, die sie meist recht gut im Auge haben und nur die Wege dazu verfehlen.“  
  PAUSE   Licht verdunkelt sich  –>  SEHR DUNKEL bis FINSTER
LICHT FINSTERALLE GG stehen auf    
    ANDREAS  Des echten Künstlers Lehre schließt den Sinn auf;  
 MARKUS  denn wo die Worte fehlen, spricht die Tat.  
 
CLAUDIA
 
Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln  
 STEFAN   und nähert sich dem Meister.  
LICHT  GANZ HELL  MUSIK
# 6
 Goethe: „Über allen Gipfeln ist Ruh ….“ They’ll Remember You – John Ottman  
ENDE  ENDE ENDE

[1] Vergleiche Klaus Hammacher- Freimauerei, Ideen und Werte

Was mich leitet? – Vom Suchen und Finden

Was mich leitet? – Vom Suchen und Finden

Meine Krankheit war ein erzwungener Anlass um inne zu halten, und ich nehme das ernst. Dieses Innehalten ist mit viel Rückblick verbunden, aber auch mit der Frage „Was nun“ – wie geht es weiter?

Ich habe bereits vor dem ersten Lockdown gemerkt, dass mir etwas zu viel wird. Das Hamsterrad, in dem ich mich befand, drehte sich schneller weiter als sonst. In der Familie und beruflich, in vielen Projekten bekam ich Bestätigung, neue positive Rückmeldungen und das steigerte die Drehzahl weiter. Das Weitermachen im eingeübten Modus bot Erfolg und Sicherheiten und dennoch verstärkte es die Abhängigkeiten, in denen ich subjektiv fest steckte.

Die Krankheit hat bestimmt etwas Schicksalhaftes, ich falle einfach in die Statistik, schließlich bekommt jede 8. Frau Brustkrebs. Sie zeigt aber auch, dass irgendetwas zu viel oder zu wenig in meinem Leben war.

Was ich mir als junge Frau wünschte, habe ich erreicht. Vielleich waren meine Wünsche und Träume bescheiden. Mein 18-jähriges Ich wäre doch beeindruckt davon, was ich erlebt habe und wie ich jetzt lebe.

Ich hatte keinen konkreten Berufswunsch und verfolgte keinen Karriereplan. Ich verfolgte innere Leitplanken, die den Weg wiesen und mir halfen zu merken, wenn ein Zug stehen geblieben ist, wo ich einsteigen konnte. Und überhaupt, dass ich am richtigen Bahnhof, am richtigen Gleis stand. Diese Intuition funktioniert am besten, wenn ich genug Zeit habe, allein oder mit vertrauten Menschen mit Muße Dinge zu tun und kontemplativ tätig zu sein. Im richtigen Zustand sind plötzlich Ideen, Verknüpfungen da und es ist glasklar, was ich zu tun habe.

In der Zukunft ist für mich wichtig, auf den Zügen, wo ich mitfahre, auf keinen Fall blinder Passagier zu sein, sondern die Möglichkeiten, die da sind, stärker zu nutzen und  mehr Verantwortung zu übernehmen.  Das braucht mehr Fokus und weniger Multitasking. In der Suche bin ich schon gut. Ich liebe die Suche schon seit eh und je. Das ist mit viel Sehnsucht verbunden.  Die Suche hält meine Augen offen.  Während ich suche, muss ich offen und wachsam sein, ich erlebe viel Neues und Schönes. Und finde häufig genau das, was ich gesucht habe, was mich mit Zufriedenheit erfüllt.

Der Begriff Suche impliziert jedoch einen Mangel: Ich glaube, dass es etwas zu finden gibt, durch das ich mich besser, heiler, kompletter fühlen kann. Suchen deutet auch auf eine Sucht hin, wir sind süchtig nach neuen Erfahrungen, Erfolg, nach einem neuen Kick. Wir glauben, dass uns das zu etwas Besonderen macht, zu etwas Ultimativen führen kann. Ist das so, oder ist jede Suche vergebens? Erfahrungen sind ja vergänglich.

 In der Zukunft will ich eher Picassos Motto folgen: Ich suche nicht -ich finde! Er hat gemeint, wenn man sucht, das ist ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen.  Etwas Neues zu finden heißt, dass ich etwas Unbekanntes finde, wonach ich gar nicht habe suchen können.  Im entscheidenden Moment weiß ich  doch, das ist das Richtige. Damit ist auch die  Ungewissheit verbunden, was vom Alten dazu passt oder losgelassen werden muss.   Es geht um das tiefe Vertrauen, dass es gut gehen wird. Finden ist somit vor allem eine Frage der inneren Haltung. Da liegt der Kern der tiefen Veränderung.

Manchmal geht das Finden leicht, in dem das Neue wie ein Schatz auf einem alten Misthaufen freigelegt werden kann. Manchmal braucht es aber mehr – einen mutigen Schritt oder einen mutigen Satz. Um etwas Neues zu finden, muss ich die Sprache finden für etwas, worüber ich sonst nicht spreche. Ohne Sprache ist kaum möglich, Neues zu denken.

Wenn ich auf der Suche bin, suche ich nach Dingen, die ich mir schon vorstellen kann. Richtig Neues finde ich, wenn ich aufhöre zu suchen.

Wie passt es mit dem Anspruch der Freimaurer zusammen, ein ewiger Suchende zu bleiben? Ist das nur Wortklauberei oder ist da ein substanzieller Unterschied oder sogar ein Widerspruch?  Im Begriff des Suchenden und darin, sich für einen ewig Suchenden zu halten, liegt Demut und Bescheidenheit. Der Anspruch ewig Suchender zu bleiben, ist eine Abgrenzung denen gegenüber, die sich schon im Besitz der Wahrheit wähnen und diese denen, die sich noch herumirren, auch gerne erklären.

Es gibt nichts zu finden, so lehrt es uns die Weisheit des Yoga, denn das was ich suche bin ich selbst, also ich bin bereits das, was ich zu entbehren scheine. Ich richte den Blick auf etwas Neues, Spektakuläres, Äußeres, statt zu erkunden, was bereits da ist und nach innen zu schauen bzw. zu ergründen, wer es ist, der da schaut. Wenn ich mich selbst als Suchenden betrachte, kann ich ewig suchen, denn es gibt unendlich Vieles zu entdecken. Wenn ich suche, gehe ich davon aus, dass es etwas außerhalb meines Selbst  gibt, was mich erfüllen kann – aber das ist ein Trugschluss. Diese Suche bedeutet eine innere Trennung zwischen sich selbst und der Welt. Wenn man diese Trennung aufgibt, kann man finden. Suchen kann nicht zu einer Erlösung führen, denn die Freiheit liegt in der Erkenntnis der Einheit, also dem Wissen, dass es keine Trennung gibt zwischen dem Suchenden und dem Gesuchten. Der Suchende und das Gesuchte sind eins. Die Welt erscheint in uns und nicht umgekehrt. In dir, in deinem Wesen, in deinem Tun und Lassen spiegelt sich das Wesen der Welt.

Salopp gesagt: Wir finden nur die selbst versteckten Ostereier. Das Geheimnis der FM ist, dass für jeden bloß der Geist darin liegt, den er selbst hineinzulegen vermag.

Der Knoten der Unendlichkeit

Fast zwei Jahre ist es her, dass ich erstmals diesen Raum betreten durfte – es war, als löste sich in mir ein Knoten und ich fühlte mich in eine Unendlichkeit tretend, in jene der Freimaurerei!

So entstand der Titel dieses BS.

Allegorisch begann für mich ein neues, reicheres, schier unendliches Leben, für das ich euch sehr dankbar bin – allen meinen Geschwistern; besonders danke ich meinen Bürgen Erna und Georg!

Mehrere Symbole für dieses reichere Leben und Erleben haben einen starken Konnex zu meinem bisherigen Leben, das aufgrund meiner ersten realen Berufung stark von textilen Objekten geprägt wurde.  Dazu gehören die Knotenschnur, die aus vielen Fasern und Fäden besteht (ich bin gelernter Spinner!), bodendeckende Textilien wie der Tapis, ein Gewebe (ich bin auch gelernter Weber!) und das musivische Pflaster, welches als leinwandbindiges Gewebe interpretiert werden könnte, wenn es anstatt schwarz-weiß/weiß-schwarz in der Faden-Bindung von Kette und Schuss – oben-unten/unten-oben – gesehen werden würde. 

Als Textiler habe ich auch einen besonderen Bezug zu Knoten, da der einfache und der doppelte Weberknoten für den Textilhersteller von allergrößter Bedeutung sind. Mit beiden werden Fäden-Enden zusammengefügt, wenn sie neu zusammengebracht werden sollen oder gebrochen sind.

Als begeisterter Katamaran-Segler habe ich auch eine besondere Beziehung zu Knoten.

Wie ich schon darstellen durfte, war ich anfangs ob der vielen Erlebnisse und Eindrücke in der L∴ überwältigt! Das bin ich eigentlich immer noch, beobachte immer gespannt und neugierig, was in der L∴ geschieht, und sehe dauernd etwas Neues, das mir vorher noch nie so richtig aufgefallen war.

Nicht bei der Rezeption, aber bald danach, fiel mir unser Tapis auf. Besonders die dargestellte Knotenschnur, die drei Seiten des Tapis (Norden / Osten / Süden) und einige Symbole umgibt und nach Westen hin offen ist.

Als gelernter Spinner und Weber bin ich vom Textilen angezogen, buchstäblich und auch im übertragenen Sinn, also materiell und geistig.  So habe ich „unseren“ Tapis auch im „Buchdepot zum rauen Stein“ vorgefunden, und das eine oder andere spannende Gespräch mit seinem Urheber, Br∴ Michael, führte mich geradezu hin.

Den Betrieb in Hoheneich (Fa. Backhausen), in welchem unser Tapis hergestellt wurde, kenne ich seit meiner Schulzeit; ich habe dort mit dem einen oder anderen – auch technischen – Umsetzern weiterhin fachlichen Kontakt.

Gerade als ich mich anfänglich in die von mir ausgesuchte Materie des „Knotens der Unendlichkeit“ eingelesen hatte – u.a. habe ich einige BS unserer Geschwister gelesen -, umso unsicherer wurde ich, ob ich diese Materie wohl ‚maurerisch‘ ordentlich werde behandeln können.  Bestätigt wurde mir dies, als ich mit der Zeit mehr von der Symbolik der Knoten, der Knotenschnur und der Unendlichkeit zu sehen und manchmal zu verstehen begann.

Welche weiteren besonderen Beziehungen habe ich nun zu einem bestimmten Knoten und welche zur Unendlichkeit?  Besonders mit dem“ Knoten der Unendlichkeit“, dessen Existenz mir nicht klar war, bis ich tiefer in die Materie stieg?  Wie steht dieser besondere Knoten mit der FM in Beziehung und was kann ich aus ihm lernen?

Was ist in der weiteren maurerischen Referenzliteratur zum „Knoten der Unendlichkeit“ zu lesen?  Ich habe dann auch Unterstützung von Erna und Christina erbeten, und siehe da, neue Wege wurden gefunden!

Zu Knoten

Geknotete Seile und Schnüre werden seit Jahrhunderten für praktische Anwendungen beim Zählen und Messen, als Gedächtnishilfen, insbesondere für Gebetsrezitationen sowie zum einfachen Binden verwendet.

Es gibt an die 4.000 Grundformen von Knoten, und es wurden die ersten angeblich schon vor 100.000 Jahren gebunden.

Das Knotenbinden ist eine der Hauptentwicklungen im Fortschritt der Menschheit und mancher meint, dass es sogar die Erfindung des Rades in Bezug auf seine Wirkung auf die Zivilisation überschatten könnte.  Anthropologen stellten fest, dass während der Zeit, in welcher der Mensch lernte, Tiere zu domestizieren, das Seil zum Symbol seiner Beherrschung der rohen Natur wurde; so erlangte das Seil oder die Schnur eine sehr frühe symbolische und mystische Bedeutung.

Knoten sind ganz eigen in der Art, wie sie sich verhalten – die meisten werden nicht durch Druck, sondern üblicherweise durch Zug fester.  Diese Eigenschaft verleiht ihnen eine symbolische Bedeutung als Gegenstück in ihrer Kraft, die als wichtige Ergänzung zur Tragekraft z.B. von Säulen gesehen werden kann.  Da findet sich eine Analogie zur Dualität des Passiven und des Fixen (des Winkelmaßes) mit dem Aktiven und Beweglichen (dem Zirkel).

Die Knoten in der Knotenschnur, die wir im Tapis, finden sind oft unterschiedlicher Art und in unterschiedlicher Anzahl.  Fast immer sind jedoch sogenannte Achterknoten oder Lemniskaten am häufigsten vorkommend, die – wenn liegend dargestellt – dem üblichen mathematischen Zeichen für die Unendlichkeit (∞ – vom griechischen λημνίσκος lēmnískos‚ Schleife‘) sehr ähneln und auch manchmal ‚masonischer Liebesknoten‘ oder Herkules-Knoten genannt werden. 

Da war mir erstmals klar, dass der Knoten der Unendlichkeit schon oft vor mir lag!

Die Lemniskate wurde im alten Griechenland und in Rom als Schutz-Amulett oder als Hochzeitsymbol verwendet; im Mittelalter und in der Renaissance ist der Achterknoten als ein häufiges Liebesandenken von in die Ferne reisenden Rittern für ihre zurückgelassenen Frauen verwendet worden; daher gab es für diesen Knoten auch manchmal die Bezeichnung „Witwenstrick“.

Lemniskaten bedeuten eine immerwährende und ewige Fortsetzung eines Vorganges.  Der Knoten dürfte aber auch das Zeichen dafür sein, dass eine Freundschaft, eine Kameradschaft oder eine Partnerschaft Leben und Tod überdauern mögen.

Diese Interpretation der Lemniskate als der am häufigsten in der Knotenschnur vorkommende Knoten führt auch direkt zur Bildmachung der Menschheits- bzw. Geschwisterkette im Tapis der Loge:  Die einzelnen Knoten können als Symbol für die einzelnen Menschen verstanden werden, und jeder Knoten ist ein Symbol für die immerwährende Verbindung der Geschwister im alle Zeit und allen Raum umfassenden Universum.  Dies finde ich eine besonders schöne Interpretation dessen, was Knoten, Knotenschnur und die Verbindung aller Menschen zueinander bedeuten.

Ein anderer in der Knotenschnur häufig anzutreffende Knoten ist der einfache oder ‚Brezel-Knoten‘, der oft als Zauberknoten bezeichnet wurde und der dreimal geknüpft werden musste, um seine volle Wirksamkeit zu erhalten.  Dieser Knoten wird auch als Zeichen für den Wunsch nach einem langen Leben oder -vielleicht sogar – einem weiteren Leben angesehen.  Wenn in der Knotenschnur vorhanden, dann ist dieser Knoten meist sowohl im Süden als auch im Norden zu sehen.  In den alten, von Geometern und Bauleuten verwendeten Schnüren, waren gerade diese Knoten aufgrund ihrer Einfachheit und Stabilität vorherrschend.

Die einfache Schlinge (kein Knoten) in der Knotenschnur des Tapis symbolisiert Geburt und Schicksal.  Unser Schicksal wird maßgeblich durch unser geistiges und materielles Erbe geprägt sowie durch die Gegebenheiten in den Gemeinschaften, in welche wir hineingeboren und auch später integriert wurden.  Diese einfache Schlinge hält daher nur, wenn sie um etwas geschlungen und damit mit anderen verbunden ist. 

In die Welt antiker Legenden führt uns der „Gordische Knoten“, dessen Lösung Welt-herrschaft versprach; bekanntlich hat Alexander der Große im Winter 3.666-67 A.L. (334 – 333 v.Chr.) den Knoten mit dem Schwert zerteilt und damit eine gewaltsame Lösung eines sonst sehr schwierigen bzw. unlösbaren Problems vorgeführt.

Der historische Islam kennt den Brauch der Männer, sich in den Bart einen Knoten zu machen, um Unheil und den Teufel abzuhalten.

Im Hinduismus sind textile Knoten für den Büßer ein Zeichen der Reue. 

Buße und die Beteuerung zu glauben symbolisieren genauso die drei Knoten in der Gürtelschnur der Mönche; sie weisen auf die drei Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams hin.

Die Ägypter fertigten das Symbol des Weltganzen in Form einer zwölf-knotigen Schnur an, da der Tag als „Mini-Jahr“ aufgefasst und somit in zwölf (Doppel)stunden eingeteilt wurde.  Als Kreis aufgelegt, könnte sie zu kultischen Handlungen gedient haben.  Um den Kreis zu schließen, konnte am besten der sogenannte Weberknoten verwendet werden oder, bei Bedarf besonders großer Stabilität der Verbindung, der doppelte Weberknoten.

Knoten sind ein vertrautes ornamentales Symbol auch in der chinesischen und tibetanischen Kultur, wo sie Unendlichkeit und Glück versinnbildlichen.

Die Knotenschnur

Die geistige Welt, die Transzendenz, zeigt sich auf dem Tapis in Form der Knotenschnur, auf welche der Kopf des Zirkels weist.  Die Knotenschnur verbindet diese geistige Welt mit der materiellen Welt.  Sie umfasst die Welt des Tempels und der masonischen Symbole vom Norden über den Osten nach Süden (oder auch umgekehrt!) und bleibt nach Westen hin offen und liegt in vielen Fällen symmetrisch.

Die Knotenschnur liegt nicht flach und gerade auf und am Tapis, genauso wenig wie das Schicksal geradlinig verläuft.  Wir bestimmen maßgeblich unser Schicksal; dieses gehorcht jedoch gleichzeitig den ehernen Gesetzen des großen Baumeisters der Welten.

Wie im musivischen Pflaster weiß-schwarz oder im Gewebe oben und unten ist das ewige Auf und Ab, das Hoch und Tief der geschlängelten Knotenschnur Sinnbild der wechselvollen und unregelmäßigen Gegebenheiten jedes Daseins.

Mit dem musivischen Pflaster, mit den Steinen und mit dem flammenden Stern verbindet die Knotenschnur einiges, u.a. auch die Tatsache, dass sie zu den einzigen Objekten gehört, die im Laufe der FM-Geschichte nie als Lichter bezeichnet wurde.

Bei der Knotenschnur im FM-Tapis handelt es sich in den meisten Fällen um eine 12-Knoten-Schnur (3+4+5=12), selten auch um eine 11-Knoten-Schnur.  Es gibt sie auch noch seltener mit 3, 5 und 7 Knoten, aber auch mit 13 und auch mit mehr Knoten.  Weshalb, konnte ich noch nicht feststellen.

Quasten beenden die Knotenschnur im Norden und im Süden des Tapis.  Der Quast ist ein Zeichen für die Macht, neues Leben aus dem Willen heraus zu zeugen.

Materielle mit der geistigen Welt verbunden, ergibt Transzendenz des Symbols der Verbindung der Geschwister in der Weltbruderkette.  Verbunden wiederum mit dem Symbol der Unendlichkeit in den Lemniskaten, deutet dies zum einen darauf hin, dass die geschwisterliche Kette die Zeiten überdauert, symbolisiert aber auch die Unendlichkeit des Seins im Universum.

Die östliche Hälfte der Arbeitstafel wird von der Knotenschnur umschlossen. Sie war neben Winkelmaß und Zirkel eines der wichtigsten Handwerksgeräte in den alten Bauhütten.  Jeder Baumeister hatte seine eigene Knotenschnur.

Jener, der diese Knotenschnur in frühester Zeit trug, konnte als früher Geometer erkannt werden, als der Bauherr, als der Landvermesser, als die gebildete Person.  In Ägypten war er Teil einer besonderen Priesterkaste – der Harpedonapten.

Die 12-Knotenschnur wurde in der Antike verwendet, um Maß zu nehmen und um geometrische Figuren darzustellen; mit einer solchen 12-Knotenschnur ist es zudem einfach pythagoräische Dreiecke aus 3 + 4 + 5 = 12 Teilen zu konstruieren.

Unsere drei Säulen in der Mitte des Tempels, welche die drei kleinen Lichter der Freimaurerei tragen, stehen in vielen Lehrarten in dem aus der Knotenschnur gewonnenen Dreieck; und so wundern wir uns nicht, wenn wir seit alters her in Freimaurer-Katechismen lesen, dass die drei kleinen Lichter der Sonne, dem Mond und dem Meister zugeordnet werden, umgeben vom Weltganzen der 12-Knotenschnur.

Nun zur Unendlichkeit: 

Eine sehr wichtige Fassette in meinem eigenen Leben bildete die Beschäftigung mit Kryptografie, ursprünglich die Wissenschaft der Verschlüsselung von Informationen.  Heute befasst sich Kryptografie auch allgemein mit dem Thema Informationssicherheit, also der Konzeption, Definition und Konstruktion von Informationssystemen, die widerstandsfähig gegen Manipulation und unbefugtes Lesen sind.

In einem meiner Projekte der letzten Jahre habe ich mich mit – fast – unendlich langen Zahlenreihen beschäftigt.  Die Zahlenreihen waren so lang, dass ich sie als ‚praktische Unendlichkeit‘ bezeichnete, was mich zu heftigen Diskussionen mit einem damals befreundeten Mathematiker – übrigens einem Br∴ aus der RSG – verleitet hat.  Ich behauptete, dass eine Zahlenreihe der Größe 2^677 (ca. 10^220), wie wir sie mit den von uns entwickelten und gebauten Geräten herstellen konnten, für jede praktische Anwendung ‚unendlich‘ sei, was der Mathematiker natürlich für unrichtig hielt.  Ich entgegnete, dass für jede praktische Anwendung in Datensicherheit und Kryptografie diese großen Zahlen ‚praktisch‘ unendlich wären, da eine Maschine extrem viel Zeit – also fast unendliche Zeit – bräuchte, um den damit erzeugten Code zu ‚knacken‘.  Wir einigten uns darauf, dass der Begriff der praktischen Unendlichkeit das Verständnis beim Laien erleichtern würde – trotz des klaren Falschseins!

Die Unendlichkeit kann, wenn wir sie zeitlich sehen, vom Jetzt in zwei Richtungen der Ewigkeit gehen.  Die eine Ewigkeit repräsentiert die Vergangenheit, die zweite Ewigkeit versteht sich als Zukunft.  Der weite Begriff der Ewigkeit umfasst beide Sparten:  Die Vergangenheit und die Zukunft, wobei jede für sich auch wieder eine Ewigkeit ist.  

Die Gegenwart versteht sich dann eigentlich als die einzig lebende Kupplung zwischen diesen beiden Ewigkeiten; konkret ist die Gegenwart eine eigenständige (unsere wichtigste) Zeitspanne und ein Zwischending zwischen anklingender abstrakter Zukunft und ausklingender konkreter Vergangenheit, das heißt die Überschneidung zweier Ewigkeiten.  Sie ist eben unsere wichtigste Zeitspanne, weil es jene ist, in welcher wir gerade leben.

In der Theologie und manchen philosophischen Konzeptionen ist die Unendlichkeit eines der Attribute Gottes, während die Schöpfung per se endlich ist.  Das Wesen des Unendlichen ist insbesondere ein Thema der Metaphysik sowie der Mystik, etwa in der Kabbala  oder bei christlichen Mystikern.

Kurz zu anderen Knoten der Unendlichkeit

Einen einfachen ewigen Knoten findet man im Knoten Salomons vor, der erstmals im Tempel vorhanden gewesen sein soll.

In keltischen und nordischen Quellen scheint eine Abwandlung dieses Knotens auf, der als Abbildung, z.B. auf Schilden verwendet wurde, um eine magische Wirkung zum Schutz des Schildträgers auszulösen.

Im Mittelalter war dieses Symbol des Knotens Salomons ein besonderes Kennzeichen der italienischen Steinmetze, die es mit mystischer Bedeutung als Symbol für ewige Bewegung und die Verflechtung von Raum und Zeit durchdrungen haben; ebendiese Steinmetze und die Carbonari sollen Vorgänger der FM gewesen sein.

In der fernöstlichen Praxis ist der „Ewige Knoten“ – der Knoten der Unendlichkeit – ein Symbol der Verheißung, das die Einheit zwischen unendlicher Weisheit und Mitgefühl darstellt  – ohne Anfang und ohne Ende.  

Es ist ein geometrisches, nach vielen Richtungen symmetrisches Diagramm von rechten Winkeln, das die Natur der Realität und Kausalität symbolisiert, in der alles miteinander verbunden ist.  Es handelt sich um einen fließenden Prozess miteinander verbundener Dualität von Ursache und Wirkung, in dem alles als Teil eines Netzes von Bedingung und Konsequenz existiert. 

Das Symbol kann das ewige Kontinuum des Geistes und den endlosen Kreislauf von Leiden und Freuden, Geburt und Tod (im Buddhismus auch Wiedergeburt) sowie die Verflechtung von Weisheit und Mitgefühl darstellen.  Es führt zur Harmonie im Universum und ist ein Symbol für die ultimative Einheit von allem.

Da der Knoten keinen Anfang oder kein Ende hat, symbolisiert er auch die Weisheit des GBaW.

Zum Schluss

Als ich nach langem Lesen, Reflektieren, Schreiben und Umschreiben zum Ende kommen sollte, konnte ich plötzlich auch die unterschiedlichen Knoten als Symbol für die Geschwister in den Beamtenfunktionen der Loge sehen.  Unterschiedliche Knoten symbolisieren unterschiedliche Menschen oder Funktionen, doch auch gleiche Knoten an unterschiedlichen Stellen symbolisieren sie.  Knoten tragen symbolisch Aufgaben oder Funktionen, solange sie eben gebunden sind.  Aber auch die Schleife hat eine Funktion, wenn sie eben ein-gebunden ist.

Die Knotenschnur symbolisiert die Geschwisterkette und ist in jeder Loge anders gestaltet, oft mit unterschiedlichen Knoten und in unterschiedlicher Anzahl, manchmal symmetrisch, oftmals asymmetrisch.  Sie umschließt die Loge von einer Säule zur anderen, über den Süden nach Osten, nach Norden, oder auch umgekehrt, wobei der Raum zwischen den Säulen im Westen nicht von der Schnur umschlossen ist.  Mittig im Osten ist meist eine Lemniskate (eben der unendliche Knoten), welche den MvSt symbolisiert und oft weitere zwei Knoten beiderseits, welche Redner und Sekretär darstellen.

Ein sich öffnender Knoten repräsentiert den Lehrling, ein sich zuziehender Knoten jenen, der den Gesellengrad bereits erreicht hat.  Die Knoten symbolisieren auch den einzelnen Freimaurer, der Gleicher unter Gleichen ist, und gibt als Meister am Ende seiner Reise seine Erfahrungen an den Lehrling weiter.

Und Gotthold Ephraim Lessing sagt in den „Gesprächen für Freimaurer“, dass „die Menge solcher Knoten… wie die Menge der Räder in einer Maschine (sind). Je mehr Räder, desto wandelbarer.“  Meines Wissens hat er keine Grenze nach oben gesetzt.

Das geknotete Seil ist weiterer Teil eines der Initiationsprozesse, in welchem ich als Person erstmals in die Geschwisterkette der Eingeweihten eingebunden wurde, was für mich als ein Höhepunkt in ebendiesem Einweihungsprozess in Erinnerung geblieben ist.  Es ist in den Zeichnungen der Spurenmuster der ersten Grade vorhanden.  In diesem Zusammenhang symbolisiert es die Vereinigung der Geschwister, die in diesem Raum zusammen sind.

Für mich symbolisiert die Knotenschnur auch den „Himmelsrahmen“, der die „Welt des Lichtes“ vor der „Welt der Dunkelheit“ begrenzt, trennt und schützt – sie trennt und schützt das Heilige vom Profanen.

*

Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde – das Binden des Knotens und der Geschwisterkette und auch deren Lösen (abgewandelt vom Buch der Prediger 8.6. in der Bibel).

Quellen:

Unser Glossar für LL

William Steve Burke, The knotted rope in masonic esoteric tradition ()

Lennhoff/Posner/Binder, Internationales Freimaurer Lexikon (2015)

Alfried Lehner, Die Esoterik der Freimaurer (1990)

Alfried Lehner, Die Mitte des Tempels (2011)

Gotthold Ephraim Lessing. „Gespräche für Freimaurer“

Rudolf Moosbrugger, Schnurvermessung: einfältig – einfach (2016)

Roland Müller, Die „Lichter“ im Laufe der Zeit

Holger Schackert – Tutorium Berlin

Wolfgang Scherpe‚ Das unbekannte im Ritual‘ ()

Wie erhalte ich meine Psyche gesund?

„Wie erhalte ich meine Psyche gesund?“ Diese Frage hat in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist im letzten Jahr angestiegen, immer mehr Menschen klagen über Müdigkeit, Überlastung, Mangel an Energie und Antrieb und generell an Lebensfreude.

Ein wesentlicher Auslöser dafür ist neben den äußerlichen Einschränkungen durch die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie die Grundhaltung der meisten, die dafür zuständig sind: sie verbreiten Angst. Diese gehört mit Trauer, Interesse, Freude und Wut zu den von Luc Ciompi beschriebenen Grundaffekten des Menschen. Da jeder dieser Affekte mit bestimmten unterschiedlichen hormonalen Ausschüttungen verbunden ist und diese im ganzen Körper verteilt werden, wirken sie auch direkt auf die Funktionsweise des Gehirns. Wir denken anders, unsere Logik funktioniert anders, und das wirkt wiederum auf unsere Wahrnehmung, unser Fühlen und unser Verhalten.

Hauptziel der Angstlogik ist das Sichern des Überlebens, und zwar im Augenblick. Jede Wahrnehmung wird unter dem Aspekt, ob bedrohlich oder nicht in Blitzesschnelle klassifiziert. Im Denken kommt zwar schon bald auch die Überlegung, auch längerfristig für Sicherheit zu sorgen. Das erklärt die anfänglichen Hamsterkäufe. In Deutschland war es Klopapier, in Finnland gab es bald keine Erbsensuppe in Dosen, in Frankreich waren Kondome ausverkauft.

Jedoch mental bleibt unser Körper noch immer auf kurzfristiges Überleben ausgerichtet, und die langfristigen Systeme bleiben reduziert bis ausgeschaltet. Das betrifft besonders das Immunsystem. Die Wirtschaft meldet einen gravierenden Anstieg der Krankenstände, auch unabhängig von Covid.

Die innere Kraft zur Erhaltung der Gesundheit heißt Resilienz. Diese ruht auf vier Säulen:

  • Körperliche Resilienz
  • Geistige Resilienz
  • Seelisch-emotionale Resilienz
  • Soziale Resilienz

Für jede dieser Säulen sollten wir jeden Tag etwas tun – das Minimum sind fünf Minuten pro Säule.

  • Körperliche Resilienz: die Älteren unter uns erinnern sich noch an einen Sportmoderator im Fernsehen namens Kurt Jeschko. Am Ende jeder Sendung hob er die rechte Hand und machte eine einfache Übung: er schloss sie zur Faust, dann spreizte er die Finger und so weiter. Ihm fehlte der linke Arm, wir können diese Übung also mit beiden Händen machen.
    Ich habe in meiner Wohnung an einer Tür ein Theraband – ein physiotherapeutisches Gummiband – befestigt. Jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, bleibe ich kurz stehen und ziehe 10mal nach links und 10mal nach rechts.

  • Geistige Resilienz: unser Gehirn ist wie ein Muskel darauf angewiesen, regelmäßig trainiert zu werden. Ob ich mich mit philosophischen Fragen, Poesie oder Kreuzworträtseln geistig fit halte ist Geschmackssache. Abwechslung tut gut. Auch das Verfassen eines solchen Referats kann ich wärmstens empfehlen!

  • Seelisch-emotionale Resilienz: wir brauchen auch jeden Tag einen Impuls für unsere Seele. Das ist am einfachsten über Emotionen. Ob ich Gelegenheit habe, mit einem lieben Menschen Zeit zu verbringen oder ein Tier halte und streichle, oder ob ich Bilder oder Briefe oder Andenken an liebe Menschen und schöne Erlebnisse betrachte und so diese Erlebnisse in mir wieder zum Leben erwecke – die Seele kann sowohl alte wie neue Emotionen gleichermaßen genießen.
    Eine wichtige Lektion habe ich in diesem Zusammenhang erst kürzlich gelernt. Gedanken an liebe Menschen, die nicht mehr da sind, kommen immer wieder, und das ist einfach so. Doch ich kann entscheiden, ob ich sie freundlich vorübergehen lasse oder festhalte. Und wenn ich sie festhalte, kann ich nochmals entscheiden, ob ich sie zum Anlass nehme, mir wegen des Nicht-mehr-Habens leid zu tun oder für das Gehabt-Haben-Dürfen dankbar zu sein. Und: all das ist legitim und in Ordnung, am besten mal so und mal so. Hauptsache, ich bin mir bewusst, dass ich entscheiden kann.


In diesen Bereich zählt auch unsere Sprache – egal ob gedacht oder ausgesprochen. Nehmen wir eine einfache Situation: wir sind irgendwo unterwegs und jemand drängt sich vor – sei das Autobahn oder Supermarktkassa. Die Bezeichnungen für diese Menschen sind selten freundlich, werden im Auto häufiger laut ausgesprochen als im Supermarkt. Uns ist nicht bewusst, dass solche Begriffe direkt auf unseren eigenen psychischen Zustand rückwirken und Stresshormone ausschütten, die bis zu 40 Minuten lang in unserem Blut nachweisbar und in unserem Körper wirksam sind.

Eine Bekannte von mir hat hier einen anderen Umgang erfunden. Sie saß im Auto und kam in die Situation, in der einige laut gebrüllte „Kosenamen“ für einen anderen Autofahrer schon auf ihrer Zunge lagen, als ihr gerade noch einfiel, dass hinten im Auto ihre zwei Kinder im „Papageienalter“ – wo sie alles nachplappern und hundertmal wiederholen, was sie hören – saßen. Da sie einerseits jetzt nicht stundenlang diese „Kosenamen“ hören wollte andererseits doch geplatzt wäre, wenn sie nichts gesagt hätte, platzte es aus ihr heraus: „Faszinierend!“ Und als von hinten im Duett der Kinderstimmen „Faszinierend, faszinierend, faszinieren!“ ertönte, musste sie herzhaft lachen. Mich erinnert dieser Begriff zusätzlich an die Serie „Raumschiff Enterprise“ und den Vulkanier Mr. Spock, der die Menschen und ihr Verhalten auch „Faszinierend!“ fand.

  • Soziale Resilienz: dieser Bereich hat im vergangenen Jahr am sichtbarsten gelitten. Man durfte nicht in trauter Geselligkeit mit anderen Menschen beisammensitzen, größere Gruppen waren sofort Hotspots und gefährlich. Die Begegnungen im Internet waren und sind leider ein sehr dürftiger Ersatz. Man sieht einander, aber man spürt einander nicht, man ist weder im realen noch im übertragenen Sinn berührt. Da entsteht bei einigen eine große Sehnsucht. Interessant ist, dass auch das Gegenteil zu beobachten ist. Manche Menschen haben sich so an den Ausnahmezustand gewöhnt, dass sie ihr Essen noch immer abholen, statt im Restaurant zu essen. Hier gilt es, bei aller Vorsicht eigenverantwortlich die sozialen Kontakte wieder zu aktivieren und einander real zu begegnen.

Doch das wichtigste Mittel zur Erhaltung der psychischen Gesundheit ist der Humor. Ob man dem alten Spruch folgt: „Lachen ist die beste Medizin!“ oder der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Lachen das Immunsystem aktiviert und stärkt: alles spricht dafür, nach Gelegenheiten zu suchen, die uns ein herzhaftes Lachen ermöglichen. Es gibt jede Menge humoristische Literatur, auf youtube gibt es unzählige Videos alter und neuer Kabarettist*innen, auch wenn Lukas Resetarits schon vor Jahrzehnten befürchtete, die Politiker könnten den Kabarettisten die Show stehlen.

Es kommt immer auf unseren eigenen Blickwinkel und unsere eigene Haltung an, oder wie ein Amerikaner sagte: „Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus!“

Zum Abschluss lade ich Euch ein, zunächst mit mir die Jeschko-Übung zu machen:

JESCHKO-ÜBUNG

Danke für Eure Beteiligung! Statt oder zusätzlich zu einer Diskussion fände ich es großartig, wenn wer immer mag, ihren*seinen Lieblingswitz erzählte.

ICH – LICHT – PFLICHT

Die Zeit des Corona-Lockdowns bescherte manchen von uns – fernab des Homeoffices – viel freie Zeit. So auch für mich!  Nachdem pflichterfüllend der Wohnungsputz erledigt und pflichtbewusst seit langem vorgenommene Bücher ausgelesen waren, der neue Hometrainer die erste Freude eingebüßt hatte, pflichtgemäß die Yoga-Matte aufgelegt worden war, kam das große Grübeln:

Was nun? Vielleicht doch wieder einmal – als selbstauferlegte Pflicht – zu malen? Nein, ich fühle mich nicht besonders inspiriert. – Also dann: hinein ins Internet!

Beim Stöbern und Herumsurfen tauchte u.a. auch das Textbuch der „Zauberflöte“ auf. Ich habe es nicht nur wieder einmal gelesen, sondern dabei auch mitgesungen, na ja, ging früher besser!

Was auffällt, dass Emanuel Schikaneder in seinem Libretto sehr oft das Wort „Pflicht“ verwendet – aber eigentlich logisch, waren er und Wolfgang Amadeus Mitglieder des Bundes  Mozart zur damaligen Zeit aktiv, Schikaneder vermutlich von seiner Regensburger L.: gedeckt, aber dennoch der FM treu verbunden.

Durch die „Zauberflöte“ war ich nun wirklich inspiriert – inspiriert für eine Zeichnung.

Doch wie kamen beide – Librettist und Kompositeur – dazu, eine Oper reich an FM- Symbolik, aufgezeigten FM-Idealen und -Pflichten aufführen zu wollen?

Dass einige Jahre vorher der Hamburger Schauspieler, Theaterdirektor, Autor und Freimaurer,  Friedrich Ludwig Schröder 1781 – 1785 am Wiener Burgtheater engagiert – mit dem Stück „Die FM“ reüssierte, ist wohl Zufall und nur am Rande erwähnt.

Am 20. Februar 1790 stirbt Kaiser Joseph II.; sein Bruder Leopold, Großherzog der Toskana, tritt die Nachfolge an. Für Leopold sind FM-L.: „gesellschaftliche Verbindungen und Cliquen zur gegenseitigen Unterstützung und als solche, wie andere Vereinigungen“. Leopold plant sogar, die FM zu verstaatlichen!Schikanader meinte dazu – aus Pflichtgefühl, oder?

„Meine Brüder und ich, also wir Wiener FM erkennen, dass wir ob dieser Einstellung dem neuen Kaiser unsere Ergebenheit demonstrieren müssen und wir uns unmissverständlich von allen anderen profanen Vereinigungen abzugrenzen haben, die sich gegen Kirche und Monarchie wenden. Beste Gelegenheit bieten die Bretter, die die Welt bedeuten – die Bühne“.

Mozart und Schikaneder hatten mit dieser Oper ein Ziel vor Augen, sie wollten dem Publikum „in Zeiten dräuender Gewalt und Not“ vor Augen führen, wie wichtig und wertvoll die Werte LIEBE und MENSCHLICHKEIT sind. – Offenbar doch FMPflicht!

Der vorangegangene Abschnitt ist sozusagen als Introduktion zum eigentlichen Thema zu verstehen, zum Thema „Pflicht“ in der FM, im täglichen Leben und in der „Zauberflöte“. So lässt Schikaneder das Publikum durch seine Akteure/Sänger folgendes wissen:

SARASTRO (MvSt):

Tamino wandelte an der nördlichen Pforte unseres Tempels…

Diesen Tugendhaften zu bewachen, ihm freundschaftlich die Hand zu reichen, sei heute eine unserer wichtigsten Pflichten.

SARASTRO (MvSt) zum Sprecher (Redner):

… vollziehe dein heiliges Amt und lehre durch die Weisheit beide (Tamino und Pamina), was Pflicht der Menschheit sei…

Erster und zweiter Priester (Aufseher):

Bewahret euch vor Weibertücken,

dies ist des Bundes erste Pflicht;

manch weiser Mann ließ sich berücken,

er fehlte und versah sich’s nicht.

Verlassen sah er sich am Ende,

vergolten seine Treu’ mit Hohn! –

Vergebens rang er seine Hände,

Tod und Verzweiflung war sein Lohn.)

Die Königin der Nacht                                                                                                                          

erzählt Pamina von ihrem (verblichenen?) Vater und dessen (letzten?) Worten an sie, die KdN: „…deine Pflicht ist, dich und deine Tochter der weisen Führung weiser Männer zu überlassen.“ (Sarastro als dessen Nachfolger und seine Priesterschaft)

Tamino:

Sie ist ein Weib, hat Weibersinn!

Sei still, mein Wort sei dir genug,

denk deiner Pflicht, und handle klug.

SARASTRO (MvSt)

In diesen heil’gen Hallen

kennt man die Rache nicht!

Und ist ein Mensch gefallen,

führt Liebe ihn zur Pflicht.

Offensichtlich  war den Brüdern des 18. Jahrhunderts das Thema „Pflicht“ wichtig, so sehr, dass es Eingang in die Opernliteratur fand! – Doch nicht nur dort; erinnern wir uns an Lessings „Narthan“ – auch hier ist z.B. in einem Gespräch zwischen Nathan und dem Tempelherrn ebenfalls vom Pflichtbewusstsein die Rede.

Nun gibt die „Zauberföte“ nicht immer genaue Antworten welche Pflichten gemeint sind! …dass sich Pamina, der weisen Führung weiser Männer überlassen muss; sich die Brüder vor Weibertücken pflichtgemäß zu bewahren haben, ist wohl der Denkungsart des 18. Jahrhunderts geschuldet.

Doch wie sieht es heutzutage „in Zeiten dräuender Gewalt und Not“  mit menschlichen Pflichten aus?

Beziehungsweise wie/wann ist der Terminus Pflicht und deren Ausübung in das Bewusstsein und Leben der Menschheit gelangt?

Dass der Mensch immer sehr auf  seine Rechte gepocht und eingefordert hat, ist nachvollziehbar, doch dass er sich diese Rechte erst verdienen muss, war spätestens dann klar, als ihm bewusst geworden ist, dass er auch geben muss, um sich (s)ein Recht herausnehmen zu können. Sprich: „Er in die Pflicht genommen wurde“.

Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution schließlich  zum denkenden, mit Vernunft behafteten Wesen entwickelt, sein Wollen und Wohl erkannt und damit einhergehend begriffen, dass ihm damit Verpflichtungen erwachsen, indem man Regeln ersonnen hat, um ein friktionsfreies Miteinander zu ermöglichen. Diese Regeln, Gesetze einzuhalten, war demnach also Pflicht.

Immanuel Kant stellt in seiner „Metaphysik der Sitten“ einen Ansatz vor, der im Prinzip Neigung und Pflicht stark voneinander abgrenzt. Dabei betont er, dass eine Handlung nur dann moralisch wertvoll sei, wenn sie aus Pflicht ausgeführt werde. Neigung hingegen keinen sittlichen Wert darstelle.

Friedrich Schiller hingegen schreibt  in seinem Werk „Über Anmut und Würde“ von der Harmonie zwischen Pflicht und Neigung.

Dabei sieht sich die Menschheit oft in der Zwickmühle gefangen, zwischen beiden Prinzipien unterscheiden zu müssen: Lebe ich nach meiner Neigung – der einfachere und bequemere Weg – oder aber fühle ich mich zur Pflicht verpflichtet, die mir lästig und zwanghaft erscheint, oft mit Mühsal und Arbeit – nicht nur der an mir selbst -, sondern mit Aufwand, körperlichem und/oder geistigem Einsatz  einhergeht. Hier kommt also ein angeborenes, anerzogenes oder erworbenes Pflichtgefühl mit  ins Spiel. – Doch diese Entscheidung trägt jeder für sich selbst!

Aber es lässt sich sehr wohl zwischen von außen an uns herangetragenen, vielleicht oft unangenehmen, und den selbstauferlegten – mitunter auch freudvollen – Pflichten unterscheiden. Zum Beispiel Pflichten, die wir gerne übernehmen und ausfüllen.

Wie sieht es nun  „in Zeiten dräuender Not“, wie wir sie eben erleben, mit unserem Pflichtgefühl, der Wahl zwischen Pflicht, Menschenliebe und Neigung aus? Leben wir die Liebe zu unserem Nächsten oder lässt uns das Leid, die Verzweiflung, die Not und der Tod Tausender Menschen wegsehen – lässt uns das alles unberührt?

Für einen Teil der Menschheit trifft das ganz gewiss zu: die Unwissenden, Ungebildeten, Einfältigen, Jugendliche, die sich um ihre „Bespaßung“  betrogen fühlen, die ganz Rechten, die Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, …

Nicht so – um beispielweise eine Gruppe  zu erwähnen – für  jene Menschen, die in Heil- und Pflegeberufen bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit ihre Pflicht erfüllen – im Dienste am Menschen!  

Gerade und besonders für uns FM sind wir der Menschheit verpflichtet! So gesehen, bedeutet Pflicht auch, Verantwortung zu tragen – in der Welt, der Menschheit, dem Bund/der L.:, uns selbst  gegenüber!

Erinnern wir uns noch an jene Ritual-Textstellen in der Eröffnung und am Ende der rituellen Arbeit?

MvSt    Zweiter Aufseher, was ist Deine Pflicht vor Beginn der Arbeit?

           und  weiter: Erster Aufseher, was ist nunmehr Deine Pflicht?

Und am RA-Ende:

MvSt    Ihr habt gehört, wozu wir berufen sind. Sei jeder eingedenk seiner Pflicht!

… und dies nicht nur im Tempel!

Auch in unserem „Bundeslied“ heißt es (W.A. Mozarts „Freimaurer-

musik [+ Musik der heutigen österreichischen Bundeshymne] ; Text von Emanuel Schikaneder)  in der letzten Strophe:

„Tugend und die Menschheit ehren,

Sich und andere Liebe lehren, das sei uns’re erste Pflicht.

Dann strömt nicht allein im Osten,

Dann strömt nicht allein vom Westen,

Auch im Süd‘ und Norden Licht!“

Erinnern wir uns unserer Pflicht(en), erkennen und leben wir  sie. Nehmen wir uns selbst nicht zu wichtig, stehen wir treu zu uns, unseren Maximen und unseren Mitgeschwistern,  erfüllen wir also unsere Pflicht(en), indem wir tun, was wir tun müssen als Verantwortung, frei von Gedankenlosigkeit, Egoismus und Machtstreben!

Zum Abschluss möchte ich noch (m)ein Gedankenmuster mit auf den Weg geben:

Betrachtet man das deutsche Wort „Pflicht“ wertfrei, ist zu sehen, dass darin noch ein anderes Wort steckt, nämlich LICHT.

LICHT als übergeordneter Begriff stellt für mich die Emanation des alles durchdrin-genden geistigen Lichtes dar – das Licht der Fülle, der Heilung, der Vollkommenheit, das Licht der Liebe. Leben wir dieses Licht und geben es gedanklich/geistig an jene weiter, die es am Nötigsten brauchen. So gesehen, ist PFLICHT auch als Auftrag zu verstehen  – als Auftrag an uns alle!

Eigennutz und Gemeinwohl

Sollten dem Individualismus Grenzen gesetzt werden?

Welche Fürsorgepflichten treffen den Staat für die Gesundheit seiner Bürger? Gibt es (rechtliche) Grenzen für staatliche (Gesundheits-)vorsorgemaßnahmen?“

„Das Schicksal des Menschen ist der Mensch“ (B. Brecht „Die Mutter“)

Es haben schon sehr viele, sehr gescheite Menschen dieses Thema analysiert, diskutiert, darüber doziert und kommentiert. Daher probiere ich heute ein Resümee zu ziehen und werde einige Fragen in den Raum stellen, die wir in „break-out-sessions“ diskutieren können. Freilich war das allgegenwärtige Thema „Corona-Pandemie“ mit all den dazugehörenden Einschränkungen der Grundrechte, sowie die emotional geführten Impfdebatten, Auslöser meiner Gedanken und Fragen. Gestern hat uns Schwester Erna den „Eckstein“ weitergeleitet, und ich habe darin eine hervorragende Analyse mit dem Titel „Die gekränkte Gesellschaft – in Sachen Corona kommt es nicht darauf an, was die Dinge mit uns, sondern was wir mit den Dingen machen“ von Konrad Paul Liessmann gefunden. Eigentlich sollte ich nun diesen Impulsvortrag beenden und auf eben jenen Artikel verweisen, denn besser und trefflicher kann ich es sicher nicht sagen.

Jetzt, da wir nun schon alle beisammen sind, könnten wir vielleicht all die Fragen wie: „Wieviel Gemeinschaft soll es sein? Und wieviel Individuum? Wo sollten dem Individualismus Grenzen gesetzt werden? Und wann kippt der Gemeinsinn in einen freiheitsberaubenden Kollektivismus?“ gemeinsam erörtern.

 Seit tausenden Jahren wird über das rechte Verhältnis von Einzelnem und Gemeinschaft, Individuum und Kollektiv, Bürger und Staat, deren wechselseitiger Beeinflussung und die Rechtfertigung ihres Ausmaßes, insbesondere ihrer Begrenzung philosophiert.

Es gibt viele Beispiele, von denen ich nur einige erwähnen möchte:

Menschenrechte: Rechte regeln das Zusammenleben von Individuen in Gemeinschaft, nur hier gibt es überhaupt Regelungsbedarf. Sowohl die Beziehung der Individuen zueinander als auch die Beziehung des einzelnen Menschen zur Gemeinschaft müssen dauerhaft normiert werden.

Mit der Entdeckung des Individuums, seines Gewissens und seiner personalen Würde beginnt zugleich auch die Geschichte der Menschenrechte, an deren Ende ihre Kodifikation steht; „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde. Rechte, die für alle Menschen gelten sollen. Sie sind lang erkämpfte Grundsätze, die fundamentale Freiheiten aller Menschen festlegen. Ihr Ziel ist es, die rechtliche Gleichbehandlung aller Menschen zu wahren. Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, Verbot von Sklaverei und Folter, Gedanken- und Glaubensfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden sind nur einige von ihnen.

            Recht auf Meinungsfreiheit: „Twitter-Trump“

Wir brauchen in liberalen Demokratien ein nachvollziehbares, transparentes und sinnvoll anfechtbares Sperr-Regime. Eine zuständige Instanz, die im Zweifel über den AGB der Medien-Plattformen steht. Um es noch etwas komplizierter zu machen, wäre das Idealszenario in autoritären Staaten und Diktaturen genau umgekehrt: Dort sollte der Staat im Zweifel zumindest in politischen Sphären nicht kontrollieren können, was zu veröffentlichen sei und was nicht. Wenn Trump gesperrt wird, müssen auch andere gegen die moralischen Rechte agierenden Personen gesperrt werden. Man muss sich in Politik und Wirtschaft trauen, die liberale Demokratie als überlegenes System zu betrachten (Sascha Lobo, Spiegel 13.01.2021).

Bürgerarbeit, lokale Währungen: Die Selbstorganisation der Gesellschaft: in Japan führten einige Gemeinden eine lokale Währung, ein Gemeindegeld, ein, die drei Ziele verfolgen, wie Ikuma Saga, Volkswirt des Japan Research Institute erklärt: „Erstens: die Beziehungen zwischen den Menschen einer bestimmten Gemeinschaft wiederzubeleben oder zu festigen, um das Sozialgefüge zu festigen. Zweitens: Projekte zu unterstützen, für die keine finanziellen Mittel in den Kommunen vorhanden sind. Dazu können Aufräumarbeiten, der Umwelt- und Naturschutz und Bereiche der Armen- und Altenpflege zählen. Also alles Vorhaben, die für das Leben in der Gemeinde wichtig sind. Das dritte Ziel eines Gemeindegeldes sind die Wiederbelebung lokaler Wirtschaftskreisläufe und die Förderung unternehmerischen Handelns.

Dieses Gemeindegeld wird von den Unternehmern einer Gemeinde für gemeinnützige Arbeiten an Arbeitslose, Obdachlose und ähnliche Gruppen von Bedürftigen ausgegeben. Dieses Gemeindegeld steht nicht in Konkurrenz mit dem Yen, da es nur in der jeweils ausgebenden Gemeinde verwendet werden kann, nicht im ganzen Land. Deshalb ermöglicht es in erster Linie nur den Konsum lokal produzierter Güter und Waren, was eben die lokalen Wirtschaftskreisläufe stützt und gegenüber einem Einkommen in der Landeswährung eine Einschränkung darstellt. (2008 von Sebastian Wienges)

Sparkassa: Anwendung und Auslegung des Gemeinwohlprinzips

Im ausgehenden 18. Jahrhundert erkannten einige sozial denkende Bürger die zunehmende Armut in den Städten als Problem der frühen industriellen Revolution. Daher gründeten sie die ersten Sparkassen, die mit der Förderung des Sparsinns und damit der Vermögensbildung der Bürger, sowie der Sicherstellung der kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung öffentlich beauftragt wurden. Hauptzweck der Sparkassenidee war also die Hilfe zur Selbsthilfe und die Förderung der Selbstverantwortung des Einzelnen. Noch heute unterscheiden sich Sparkassen von privaten Banken dadurch, dass die „Erzielung von Gewinnen nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes“ ist, sondern die Verpflichtung zum Gemeinwohl. Dies ist in den Sparkassengesetzen  festgeschrieben. Heute kommen die Sparkassen ihrer Gemeinwohlverpflichtung zudem durch die Verwendung eines Teiles ihres Jahresüberschusses als Spenden für gemeinnützige, kulturelle, wissenschaftliche oder soziale Zwecke nach (Wikipedia „Gemeinwohl“). 

Sozialversicherungen (Unfall-, Kranken-, Pensionsversicherungen) entstanden im 19. Jhdt.

Tragik der Allmende (tragedy of the commons), Tragödie des Allgemeinguts bezeichnet ein sozialwissenschaftliches und evolutionstheoretisches Modell, nach dem frei verfügbare, aber begrenzte Ressourcen nicht effizient genutzt werden und durch Übernutzung bedroht sind, was auch die Nutzer selbst bedroht. Probleme sollten nicht mehr nur von einzelnen Individuen, sondern auch als Gemeinschaft betrachtet und gelöst werden (Wikipedia „Tragik der Allmende“).

Der freie Zugang zu landschaftlichen Schönheiten, Anspruch auf reine Luft

Die Argumentation, reiner Luft sei im Sinne des Gemeinwohls Priorität einzuräumen, konnte sich gegenüber wirtschaftlichen Interessen aber höchstens in touristisch geprägten Regionen mit starken alternativen Wirtschaftskonzepten durchsetzen.

Eigentums- und Verfügungsrechte werden zwar in Deutschland im Sinne einer „common pool resource“ meist mittels gesetzlich festgelegter Grenzwerte zu regeln versucht, das aber in der Praxis teilweise eher den Charakter eines ‚open-access-Gutes’ innehat. Die Strategie der Produzenten und ihrer Unterstützer lief dagegen darauf hinaus, Entstehung und Ausmaß negativer Externalitäten herunterzuspielen oder mit der parallelen Produktion von Gemeinwohlbelangen wie Arbeitsplätzen oder eines allgemein wünschenswerten Gutes (z.B. Elektrizität) zu kontrastieren (Ute Hasenöhrl; Zivilgesellschaft, Gemeinwohl und Kollektivgüter).

Leistbare Wohnungen: Mietpreisbremse (z.B. in Berlin)

Wer bestimmt eigentlich das öffentliche Interesse? Im eben zitierten Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts hieß es, der Gesetzgeber müsse die Freiheitssphäre des Einzelnen mit dem Wohl der Allgemeinheit zum Ausgleich bringen. Allerdings ist der Gesetzgeber dabei offenbar nicht frei, wenn er doch die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten hat. Bis zu einem gewissen Grad scheint das öffentliche Interesse also durch die Verfassung vorgeprägt zu sein. Außerdem stellt sich die Frage nach der „Gemeinwohlkompetenz“ von Exekutive und Rechtsprechung: In welchem Umfang dürfen Verwaltung und Gerichte bestimmen, was im öffentlichen Interesse liegt? (Robert Uerpmann-Wittzack, Univ. Regensburg)

Georg Wilhelm Friedrich Hegel meint:

In einer Diskussion vergraben sich oft beide Seiten in ihrer Position. Der Verstand neigt zum Entweder/Oder: Entweder Freiheit oder Determinismus, entweder Liberalismus oder Tyrannei. Die Dialektik macht erkennbar, dass die Dinge komplizierter sind. Keine Seite hat ganz recht, keine hat ganz unrecht. Das Versprechen der Dialektik ist Schritt für Schritt zur Wahrheit zu vorzustoßen.

Der wichtigste Beweger in der Geschichte der Menschheit ist die Freiheit: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“.

Einerseits bedeutet Freiheit, zu tun, was man will. Andererseits bedeutet Freiheit, zu tun, was für alle gut ist. Wer nur im Eigeninteresse handelt, ist nicht frei, er ist Sklave seines Egoismus. Aber Freiheit bedeutet auch nicht sich für die Allgemeinheit aufzuopfern, sie bedeutet nicht, dass der Wille des freien Menschen ununterscheidbar vom Allgemeinwohl wird.

Das ist wohl der Fehler so mancher Revolutionäre, die behaupten im Namen aller zu sprechen.

Hegel glaubte auch an die Kraft sozialer Institutionen, denn diskutieren alleine reicht nicht. Damit Ideen wirksam werden, brauchen sie Gebäude, Budgets, und Angestellte. Institutionen sind materialisierte Ideen. Statt weiterer Bekenntnisse zum Klimaschutz würde Hegel heute vielleicht eine weltweit handlungsfähige Klimabehörde fordern.

Somit wären wir auch bei unserer „Institution“.  Eine wesentliche Aufgabe der FM sollte meines Erachtens ebendieses Handeln, das Umsetzen der Ideen für ein individual-solidarisches Leben sein.

Niemand mag ein Schaf, jeder ein Held (Revolutionär, Andersdenkender) sein. Das Heldentum ist aber mit Vorsicht zu betrachten. Im »Faschismus ist Heroismus die Norm. Dieser Heroismus ist eng mit dem Kult des Todes verbunden… der urfaschistische Held… ersehnt den Heldentod“ (U. Eco). Natürlich nicht immer für sich selbst, manchmal sollen auch einfach andere sterben, aber so insgesamt darf es schon etwas mehr Tod und deshalb auch etwas mehr Krieg sein, »das Leben ist ein permanenter Krieg«.

Dies bedenkend, ist unsere Fähigkeit und unsere Stärke mit Vernunft und Erfahrung zu leiten mehr gefragt denn je.

Frage: Wie kommen wir FM zu den „richtigen“ Ideen?

Als Naturwissenschaftlerin wäre mein erster Zugang: Fragen wir die Experten!

Aber: Wissenschaftliche Experten sind diejenigen, die wissenschaftlichen Prozesse, Theorien und Forschungsergebnisse in eine allgemeinverständliche Sprache übersetzen und damit demokratische Überprüfung ermöglichen. Dafür muss ihnen vom Souverän Vertrauen entgegengebracht werden — Vertrauen in die Aufrichtigkeit ihrer Motive und Verlässlichkeit der Informationen, die sie weitergeben.

Leider gibt es manchmal Gründe, Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Experten zu hegen, insbesondere, wenn ihnen besonderer Einfluss in Medien oder Politik zukommt. Wie andere Menschen auch, können sie sich irren und wichtige Fakten übersehen, sind schlecht darin, Vorhersagen zu machen und Evidenz, die ihren Ansichten oder Werten widerspricht, einzubeziehen, sie haben private Interessen und sind nicht immer finanziell unabhängig. Die COVID-19 Pandemie hat einmal mehr Beispiele für alle diese Schwächen hervorgebracht.

Die Wissenschaft nimmt einen bislang ungekannten Einfluss auf Gesellschaften: durch Medizin und Technologie, durch neuartige Untersuchungsmethoden wie die der Computersimulation (ohne die uns Klimawandel gänzlich unbekannt wäre), durch neue Theorien wie die Theorie der Verhaltensökonomik, durch die neuartige Politikansätze begründet werden. In liberalen Demokratien wünschen wir, solche Einflussnahmen demokratisch zu legitimieren, d.h. abhängig von der Zustimmung des Souveräns zu machen. Eine Voraussetzung für die Ausübung der demokratischen Kontrolle ist, dass die Regierung ausreichende Kenntnisse der relevanten wissenschaftlichen Zusammenhänge erhält, damit sie den Vorschlägen informiert zustimmen kann (Julian Reiss, JKU Linz).

Technisch-politische Entscheidungen müssen von der Politik getroffen werden, denn: die Politik ist demokratisch legitimiert und kann (durch Abwahl) zur Rechenschaft gezogen werden. Dennoch sind politische Entscheidungen weit von einem Ideal entfernt. Es bestehen Anreize kurzfristige und „sichtbare“ Folgen überzubetonen. Darum obliegt der Wissenschaft wie auch der Presse, den Medien die besondere Rolle, stets auf längerfristige und weniger sichtbare Folgen hinzuweisen, um somit dem Einzelnen, der Bevölkerung bessere Werkzeuge zur demokratischen Kontrolle zu geben. Die Aufgabe der Politik besteht darin, sich aus allen relevanten Expertisen ein Bild zu schmieden über die Handlungsalternativen und ihre Folgen, um eine optimale Entscheidung zu treffen.            Da niemand in der Wissenschaft Expertisen zu genau jeder speziellen Frage hat, kann die Politik gar nicht an Expertisen gebunden sein und es widerspräche auch demokratischen Grundsätzen, denn jede Stimme sollte gleichviel zählen, nicht die von einigen doppelt!

In der Pandemie haben wir auf der einen Seite gelernt, dass wir aus epidemiologischer Sicht am besten isolierte souveräne Individuen wären, die sich allein in ihre Höhlen zurückziehen. Jeder Mitmensch ist eine potenzielle Gefahr, räumliche Distanz daher die maßgebliche Sozialnorm der pandemischen Gesellschaft. Wir scheinen in unserer Entwicklung weit zurückgeworfen worden zu sein in eine Welt in der, der von einem »anthropologischen Misstrauen« beseelte Thomas Hobbes in seinem berühmten „Leviathan“ vor mehr als 350 Jahren die Notwendigkeit eines (letztlich autoritären) Staats begründet hatte, welcher der Vernunft der Menschen misstraut und sie daher vor ihren Mitgeschöpfen schützen muss. Seinerzeit waren die Mitmenschen als gewaltbereite Waffenträger eine Gefahr, heute als potenzielle Virenträger. Weil er die Fähigkeit hat, uns davor zu schützen, stellt man den Leviathan ggfs. auch von der Bindung an das Recht frei; das notwendige Vertrauen bezieht er paradoxerweise aus dem Misstrauen gegen den Menschen (Thorsten Kingreen, doi.org/10.1515/jura-2020-2602).

Gute und entschlossene Verwaltung kann Gesundheit schützen und Leben retten. »Alles, was der Mensch an Annehmlichkeiten kennt, ist aus der gegenseitigen Hilfe entsprungen. Nächst Gott gibt es nichts auf der Welt, was dem Menschen größeren Nutzen bringt als der Mensch selbst« (Hobbes). Staatlich verordnete Einsamkeit negiert die Sozialität des Menschen, der, gerade weil er soziales Wesen ist, Rücksicht auf seine Mitmenschen nimmt. Autoritäre Ideen und Maßnahmen fallen auf fruchtbaren Boden, sobald sich Menschen existentiellen Gefahren ausgesetzt sehen, deren Ausmaß ihre Vorstellungskraft übersteigt. In der Corona-Krise wird nicht nur hinter vorgehaltener Hand geraunt, autoritäre Regime, die nicht auf lästige demokratische Spielregeln Rücksicht nehmen müssen, kämen doch viel besser mit dem Virus zurecht als die zaudernden Rechtsstaaten. Besondere Anziehungskraft hat daher auch die Alarmvokabel des Ausnahmezustands, in dem die Regeln des Normalzustands um der Effektivität des Schutzes vor der Gefahr willen suspendiert sein müssen (Thorsten Kingreen, doi.org/10.1515/jura-2020-2602).

Frage: Aber was ist noch normal und was die Ausnahme; wer bestimmt darüber und über die dann irgendwie anderen Regeln?

Ein kleiner Exkurs in die Tierwelt: Was können wir von Ameisen lernen?

Sich trotz Fieber und Husten zur Arbeit zu schleppen ist nicht gesund für einen selbst und nicht für andere, die sich im schlimmsten Falle anstecken — das weiß spätestens seit 2020 jeder Mensch. Ameisen haben das seit 130 Millionen Jahren verinnerlicht; da lebten noch die Dinosaurier. Seitdem isolieren sie sich wenn sie krank sind. Und seitdem meiden die Ameisen im Außendienst, die einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind, den Kontakt zu ihren Kolleginnen im Innendienst, zur Brut und zur Königin. Wer heute durch einen Wald geht wird keinem Dinosaurier begegnen — Ameisen schon! Sie verstehen also etwas vom Überleben. Sie folgen einem ähnlichen Credo wie die Musketiere: Einer für alle, alle für die Kolonie.

Was für Tiere selbstverständlich ist, führt zu einer Erkenntnis, die in den letzten Monaten auch in den menschlichen Fokus geraten ist: Was alle tun hat Auswirkungen für mich — was ich mache (oder nicht) hat Auswirkungen auf alle. Individuelles Verhalten hat kollektive Konsequenzen.

Der Ansatz des zweckorientierten Denkens kommt dem Bereich Public Health sehr nahe. Die Daten, auf die man sich bei der Abwägung von Nutzen, Schaden und Kosten bestimmter Maßnahmen (z.B. in der aktuellen Krisensituation) beruft, stammen in der Regel aus epidemiologischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Studien. Ein problematischer Aspekt des Utilitarismus ist, dass hier nur das Wohlergehen der Mehrheit berücksichtigt wird, wodurch das Wohlergehen des Individuums vernachlässigt wird (vgl. Eggert et al. 2017). Drastische Maßnahmen sind nämlich nicht grundsätzlich abzulehnen. Sie dürfen in Extremsituationen gegeneinander abgewogen werden und die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme muss für den Menschen positiv ausfallen, indem sie dem Prinzip der Nützlichkeit am meisten entspricht. Wie umfangreich und schwierig es ist, diese „Nützlichkeit“ zu definieren, wird bei der Betrachtung folgenden Beispiels ersichtlich:

Angenommen die Reproduktionsrate des Virus in Österreich steigt wieder an. Es müssen nun verschärfte Maßnahmen ergriffen werden, die noch stärker in die individuelle Freiheit der Menschen eingreifen als die aktuellen Einschränkungen. Auf der anderen Seite ist diese Maßnahme Voraussetzung für eine Entlastung des Gesundheitssystems und damit für die Sicherung der medizinischen Kapazitäten für COVID-19-PatientInnen.

Welches Vorgehen ist in diesem Fall „nützlicher“? Die Weiterführung der gelockerten Maßnahmen oder die verstärkten Maßnahmen zur Einschränkung jeglicher individueller Freiheiten?

Es wird deutlich, dass allein die Begriffe „Glück“ und „Nützlichkeit“ sehr unterschiedlich ausgelegt werden können. Auch ist ersichtlich, dass je größer die Anzahl an Informationen über die Gesellschaft ist, die Abwägungen umso komplizierter werden, wird das Einbeziehen aller Informationen vorausgesetzt.

Der Kontext, in dem sich das beschriebene ethische Dilemma während der Corona-Krise befindet, ist die Public Health-Ethik. Denn im Gegensatz zu einer Ethik im Gesundheitswesen in der Individualmedizin geht es primär um das Ziel, mit Blick auf die gesamte Bevölkerung sowie auf einzelne bestimmte Bevölkerungsgruppen, die ethisch vertretbaren Maßnahmen der Prävention einer COVID-19-Infektion und der Versorgung zu definieren (vgl. Egger et al. 2017).

Die eigene Befindlichkeit als Maßstab für die Gesellschaft

Interessant dabei ist ja, dass das Hohelied des Individuums heute quer über das politische und gesellschaftliche Spektrum hinweg gesungen wird – von linken Esoterikern bis hin zu wirtschaftsliberalen Denkern und Politikern. Letztere wissen ja schon seit Adam Smith, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und die egoistische Verfolgung der eigenen Ziele immer auch segensreich für die Gesellschaft als Ganzes wirkt. In den letzten Jahren haben die sozialen Medien wie ein Brandbeschleuniger für die um sich greifende Ich-Gesellschaft gewirkt. Selbstoptimierung und die öffentliche Darstellung des optimierten Selbst ist nicht nur Sache von Social-Media-Stars. Wir alle sind heute Influencer. Außerdem haben wir uns durch Facebook, Instagram und Twitter angewöhnt, unsere persönlichen Befindlichkeiten zum Maßstab dafür zu machen, was in einer Gesellschaft gedacht, gesagt und getan werden soll – und uns in Filterblasen eingeschlossen, in denen unser persönliches Weltbild bitteschön nicht mehr in Frage gestellt wird (Christoph Elsenschink; 18.03.2020).

Wir brauchen Fakten und evidenzbasierte Informationen, die von den Medien neutral und verständlich an die Bürger weitergegeben werden, damit diese eine Entscheidung treffen können um nicht blind wie Schafe einer Autorität folgen zu müssen, sondern als „Held-in“ freiwillig solidarisch handeln.

Der Aufklärer Immanuel Kant gründete seine Philosophie auf vier Fragen. Zwei davon lauteten: Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Nun: Denkt jetzt weniger an euch und hofft darauf, dass das so bleibt, wenn das Coronavirus einmal Geschichte sein wird.

Thomas von Aquin meint dazu „Es ist unmöglich, dass ein Mensch gut sei, außer er stehe im rechten Bezug zum gemeinen Wohl“.