Unser Hausgesetz

Ich hoffe, keiner von euch sitzt in der Erwartung hier, dass jetzt eine Hausgesetz-Exegese kommt. Es wäre eine leichte, aber auch seichte Übung.

Doch warum dieses Thema? Im Dezember letzten Jahres hatte ich ein Telefonat mit einem Bruder, das mich zu diesem Baustück motivierte. Warum hat es das? Lasst mich ausholen. Das letzte Jahr war, um es so auszudrücken, maurisch spannend, das Ergebnis – wir werden sehen.

Details will ich euch ersparen, aber eines wurmte mich die ganze Zeit:

Kann ich mich auf das Geschriebene überhaupt noch verlassen oder zählt nur mehr maurerisches Faustrecht? Besagter Bruder meinte zu mir: Das kommt davon, wenn keiner die Regeln kennt, jeder macht was er will…)

Dazu fiel mir aus meinem Lieblingsbuch sofort eine Stelle ein:

  • Unwissenheit ist Stärke (aus 1984 von George Orwell)

Doch was bedeutet es in dem Zusammenhang. Ich habe Orwell immer so interpretiert, dass er damit sagen will:

Selbst ein stupider Narr, der keine Ahnung hat aber überzeugend genug auftritt, kann eine Gruppe leitet wohin er will, wenn sich diese nicht ihrer Macht als Masse bewusst ist.

Nur so ist es zu erklären, dass Minderheiten über Mehrheiten herrschen können.

Unwissenheit ist Stärke – die Weltgeschichte ist voll mit Beispielen.

Umgekehrt glaube ich, dass eine gut informierte Gruppe, wo sich jeder seiner Bedeutung für die Gruppe bewusst ist, viel schwieriger durch solche Individuen, wie vorher beschrieben, zu verführen ist.

Das erfordert Mut, Ausdauer und Stärke.

Das Licht der Stärke haben wir hier in diesem Raum stehen. Der Spruch dazu lautet Stärke im Handeln.

Durch meine Zeichnung will ich das Licht der Stärke stärken.

Der erste Entwurf hierzu trug die Handschrift eines Juristen. Jedoch aus Unserem Hausgesetz wurde Die Verfassung unserer liberalen Maurerei im Staatsrechtlichen Sinne. Das entsprach nicht so ganz der Weisheit im Planen, wenn man eigentlich über das Hausgesetz sprechen wollte.

Neuer Titel oder neues Baustück? Das war hier die Frage. Es wurde ein neues Baustück.

Die Ausgangsfrage dazu lautete: Was ist eine Loge?

Nun, die Maße sind uns alle durch das Ritual und den Lehrlings-katechismus bekannt. Ein längliches Viereck vom Zenit bis zum Nadir, also allumfassend. Auch die Akteure sind uns aus Ritual und Katechismus bekannt: 3 leiten sie, 5 erleuchten sie, 7 machen sie gerecht und vollkommen.

Klingt alles wunderbar und einfach – vollste Harmonie. Wir haben nur eines vergessen… uns Maurer-Menschen.

Wann immer wir Menschen zusammenkommen, um etwas gemeinsam zu entwickeln, muss dies irgendwie organisiert werden. In der profanen Welt sind dies Gesellschaften, Vereine, Staaten etc. Wir Maurer nennen die Organisationsform „Loge“.

Doch wie ist sie organisiert?

Als Verein oder Gesellschaft wie wir sie alle kennen? Ein Vorstand machtt die Arbeit und der Rest zahlt brav ein und tut, was vom Vorstand gesagt wird. Quasi eine Logos GmbH oder der Verein nice together Logos? Wäre dem so, würde es die Freimaurerei heute nicht geben

Noch absurder wird es, wenn man an die Großlogen denkt. Die LGL als Konzernholding, AG oder Überverein? Ein lustiger, aber absurder Gedanke.

Vielleicht wie föderale Staaten?

Die Logen, gedacht als souveräne Gliedstaaten einer Großloge (Bund)? Geleitet durch einen Beamtenrat als Exekutive, mit einer Vollversammlung als Legislative kontrolliert durch alle gemeinsam als Vier-Gewalt? Passt schon eher. Doch wer setzt hier Recht durch? Eine Judikative fehlt bzw. ist nur rudimentär in Form eines temporären Schiedsgerichts vorhanden. Drei Elementen-Lehre; Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt weit und breit nicht in Sicht. Die Loge als Staat gedacht passt nicht wirklich.

Doch womit aus der profanen Welt ist eine Loge dann vergleichbar?

Ein Buchtipp und Gespräche mit einem Bruder brachten mich der Antwort näher. Vielleicht habe ich die Antwort in der falschen Welt gesucht. Vielleicht liegt sie nicht in der Menschenwelt, sondern in der Tierwelt.

Die Loge als Schwarm gedacht? Kann das die Lösung sein?

In einem Schwarm sind alle gleich. Es gibt keinen Leitvogel, der die Figuren ansagt, die geflogen oder geschwommen werden, aber dennoch herrscht Ordnung untereinander. Chaos und Ordnung zur selben Zeit geht das? Ja, es nennt sich „chaordisch“. Passt das auf die Loge?

Der Beamtenrat gibt uns allen nur die relativen Abstände vor, wie wir fliegen, nicht aber wohin. Das Entscheiden wir alle gemeinsam als Gruppe.

Die Loge als Schwarm? Für mich und zumindest einen weiteren Bruder die beste Erklärung.

So, jetzt dürft ihr mich und beschriebenen Bruder für plemplem halten.

Doch was steht den in unserem Leitbild, Anhang A des Hausgesetzes:

Der Zusammenhalt unserer Gemeinschaft ist nicht von Bürokratie getragen, sondern von dem tiefen Verständnis des Einzelnen, dass das große Ganze nur Bestand haben kann, wenn sich die Geschwister der Inhalte und Strukturen bewusst werden und sich in diese entsprechend konsequent, engagiert und mutig einbringen.

Das untermauert unsere Theorie nur weiter.

Doch wie ist es in der Praxis?

In Universum schaut das bei Vögeln, Fischen oder Bienen immer so leicht aus mit der Schwarmbildung. Wir Menschen benötigen dazu Hilfsmittel, dass ein Menschenschwarm funktioniert; doch nein, hinter einem Nachlaufen demjenigen, den wir für besonderes begabt halten, ist keine Schwarmbildung.

Unser Hilfsmittel zur Schwarmbildung des LOGOS Schwarms ist unser Hausgesetz.

Als Menschen brauchen wir das Recht als Klammer, um uns zu organisieren. Selbst wenn nur zwei von unserer Spezies zusammenkommen braucht es oft schon Verträge.  Einen Schwarmtrieb haben wir nicht. Aber das muss man unserer Spezies zugutehalten: der Mensch ging den Weg vom Faust- über Gewohnheits- zum Gesetzesrecht. Immerhin etwas.

Doch was steht nun in diesem Hausgesetz?

Manche organisatorischen/bürokratischen Dinge müssen sein.

Wer sind die Logenbeamten und wofür sind sie zuständig? Welche Aufgaben hat der Beamtenrat? Welche Funktion hat die Logenvollversammlung? Wie werden die einzelnen Gremien einberufen bzw. bestellt? Welche Quoren gibt es? Wen endsenden wir wie in welche Ämter in die Großloge?

Auch wenn es nur ein Artikel ist (9) so umfasst er doch 1/3 des Hausgesetzes.

Drei leiten sie heißt es im Katechismus des Lehrlings. Gemeint sind die hammerführenden Beamten: MvSt, 1A, 2A.

Doch was und wie leiten sie? Nun, die drei leiten nicht den Schwarm, indem sie vorne wegfliegen, sie stellen ihm nur einen Raum zum Fliegen zu Verfügung indem sie ihn aufbauen. Die Loge.

Unsere Rituale sind der Raum, in dem wir uns als Loge bewegen. Auf und abgebaut von den Hammerführenden. Auch sie sind Teil des Hausgesetzes, worüber haben wir vor zwei Wochen abgestimmt? Erraten – über zwei neue Rituale.

Wohin aber die Loge in diesem Raum fliegt, gibt nicht einmal derjenige vor, der die Zeichnung hält. Auch der Hammerschlag des MvSt bewirkt keine Richtungsänderung, sondern nur eine Rückbesinnung auf die Ordnung des Schwarms. In die Ordnung das kommt uns doch bekannt vor.

Doch was tun, wenn ein Teil der Vögel nicht fliegen will? Was tun, wenn ein Teil der Fische dem Hai links, der andere rechts ausweichen will?

Absurd, denn einem Schwarmtier würde das nie in den Sinn kommen.

Wir Menschen sind da nicht so klug. Wir brauchen dafür Regeln, die uns daran erinnern, dass es besser ist, wenn alle dem Hai links ausweichen. Ansonsten Chacos unter Wasser.

Wie ein Vogelschwarm funktioniert auch unser Logos-Schwarm, aber nur dann, wenn alle mitfliegen:

Schaut um euch! Was wären wir ohne Andreas, Ulis, Ereks, Markusse, Stefans, Peters, Ernas, Rudis, Ingeborgs, Christinas, Birgits, Claudias, Imres, Brankos, Wolfgangs, Irenes, Inas, Kaharinas, Manuelas, Monikas, Giggas, Susannes, Hanse, Gabriellas, Anitas, Ernestos.

Es würde etwas fehlen. Jeder von uns hat hier in dieser Loge seine Aufgabe, fast wie bei den Schlümpfen von Peyu. Schaut einmal euere Sitznachbarn in den Kolonen an. Ich bin mir sicher, euch fällt sofort eine Eigenschaft ein, die ihr ihnen zuschreibt.

Die böse 70%-Anwesenheitsquote im Hausgesetz soll uns am Ende des Tages auch nur daran erinnern, dass wir nur gemeinsam gut funktionieren können und dass jeder von uns gebraucht wird. Eine Arbeit ohne Muffi, pardon Stefan – da würde was fehlten.

Ohne Eigenschaften und Stärken ist niemand hier. Das macht eine Loge auch aus. Jedem von uns sollte bewusst sein, dass ohne ihn – hier in diesem Raum – den anderen etwas fehlen würde. Wir sind alle bunte Papageien in unserem Wesen auch wenn wir wie Pinguine aussehen und das ist gut so.

Gegensätze sind die Grundlage einer jeden Diskussion. Es wäre furchtbar, wenn wir alle immer nur einer Meinung wären, ja richtig langweilig.

Auch eine Batterie kann nur dann Kraft geben, wenn die Pole maximal unterschiedlich geladen sind.

Wie heißt es so schön im Leitfaden, den wir uns gegeben haben.

Unsere Zielsetzung ist die Arbeit an individuellen Stärken und Schwächen, um die freimaurerische Haltung, die im Tempel entwickelt wird, im täglichen Leben miteinander und nach außen umzusetzen.

Diese freimaurerische Haltung bedeutet für uns Humanismus, Liberalität und Pluralismus. Aufbauend auf und mit Respekt für die traditionellen Werte und Ausformungen der Freimaurerei, stellen wir uns kritisch und offen den aktuellen Themen der Zeit.

Beispielgebend für unser wechselseitiges Fordern, Fördern und Erkennen umfasst unsere Arbeit die fundierte Ausarbeitung eines Themas, der sich eine diskursive Analyse der ethischen Werthaltigkeit anschließt. Daraus gewinnen wir gemeinsam individuelle Erkenntnis und vertieftes Bewusstsein als Grundlage für kompetenteres Handeln in der Welt.

Leicht ist es nicht das Verschieden sein, aber bereichernd. Beherrsche dich selbst.

Ich denke, wir alles wissen, wie wichtig die Anwesenheit ist. Sitzen wir doch lieber in vollen Kolonen als leeren. Je mehr von uns hier sind, umso vielfältiger und bunter werden die Diskussionen. Das wollen wir doch alle, oder?

Doch wie kommt man überhaupt in den Schwarm der Loge?

Die Aufnahme von neuen Vögeln ist wohl immer der kritischste Punkt. Auch hier schaft das Hausgesetz die Ordnung, Art (7). Mit Leben erfüllen müssen wir es gemeinsam.

Die erste Grundsatzfrage stellt sich schon bei der Auswahl:

  • Muss man Maurer aus der Masse erkennen oder
  • machen wir Menschen zu Maurern?

Je nachdem, welcher Idee man folgt, laufen die Prozesse unterschiedlich.

Je nach Zugang muss die Loge anderes handeln.

Allein die Frage: Wer ist ein Suchender für uns, ist weit schwieriger zu beantworten als das der Katechismus es uns weiss machen will: Ich tappte im Dunklen und suchte das Licht, das heißt für jeden etwas anderes.

Die Antwort können wir nur in der Gruppe finden und muss immer wieder aufs Neue neu gefunden werden. Denn jeder neue Vogel verändert den bestehenden Schwarm. Er entwickelt sich.

Auf den Schultern der Interviewer liegt eine große Verantwortung. Die Verantwortung herauszufinden, ob der Vogel am Ende des Tages in unseren Schwarm als Ganzes passt oder nicht.

Die Frage ist nicht, den würde ich den gerne in unseren Reihen sehen, sondern, ist er ein Gewinn für unsere Reihen gesamt, selbst wenn ich nicht ganz grün damit bin. Das Interesse der Loge als solches zu erkennen und über das eigene zu stellen, und sich zu beherrschen, da gehört vieles dazu.

Ein gutes Interview zu führen und darüber berichten zu können, ist sicher die Königs-Disziplin und wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe, die wir hier gemeinsam vergeben können.

Es braucht aber nicht nur Interviewer in einer Loge, sondern bei jeder Arbeit einen jeden von uns.

Eine Arbeit hier kann man auch mit einem Orchester ohne Dirigenten vergleichen. Jeder hier ist Musiker und Dirigent zeitgleich. Schaut um euch!

Wir merken sofort, ob die Hammerführenden das Ritual leben oder nur herunterklopfen. Wird Branko heute motiviert mit dem Sack der Wiege durch die Kolonnen gehen oder tut er nur seine Pflicht? Wie hat Susanne heute die Gäste angekündigt? Solche Aussagen kann man über jeden treffen. Wir alle beobachten, fühlen und werden beobachtet voneinander.

Am Gelingen einer Arbeit sind wir alle beteiligt. Wenn nur einer desinteressiert ist oder glaubt das geht in nicht an, der irrt. Am Bau des Tempels braucht es jeden, besonders die Querköpfe, Nonkonformisten, Mahnenden, etc. Wer das ad personam ist?

Nun das muss jeder für sich herausfinden, wer das für ihn ist.

Auch wenn es uns manchmal schmerzt, aber am Ende zwingen uns genau diese Geschwister dazu, über unsere Handlungsweisen und Vorstellungen nachzudenken und diese zu hinterfragen.

Erkenne dich selbst klingt leicht ist aber oft eine schmerzvolle harte Übung.

Als liberale Freimaurer sollte dieser kritische Austausch aber in unser DNA stecken.

Wir haben uns vorgenommen, dies mit offenem Visier zu leben, auch wenn das manchmal schwerfällt. Beherrsche dich selbst

Die persönliche Begegnung der Geschwister ist von den freimaurerischen Grundsätzen des „Erkenne, Beherrsche und veredle Dich selbst“ getragen. Wir verpflichten uns im Umgang miteinander zu einem respektvollen Geben und Nehmen in gegenseitiger Wertschätzung und dennoch kritischer, aber gelassener Auseinandersetzung.

Es ist unser Auftrag, destruktivem Verhalten, im Besonderen, Selbstsucht, Ignoranz und Heimlichkeiten bei uns und bei anderen entgegenzuwirken.

sagt uns der Leitfaden.

Das haben wir uns zum Ziel gesetzt als Loge, als Schwarm.

Zum Gesetz haben wir gemacht:

Die Logos und ihre Mitglieder bekennen sich zu absoluter Gewissensfreiheit, Toleranz und Pluralismus sowie Forderung und Förderung der gemeinsamen Aus- und Weiterbildung. Art 1, Abs 6 des Hausgesetzes.

Das müssen wir leben das ist unsere Flugordung, die wir uns selbst gegeben haben.

Die Essenz daraus für mich:

Das Hausgesetz kann uns nur die Ordnung, wie wir fliegen sollen, vorgeben, nicht aber wohin unsere Reise geht. Wenn uns die Ordnung, in der wir auf dieser Reise fliegen, nicht passt, dann können wir sie natürlich verändern.

Das setzt aber voraus, dass wir die aktuelle kennen, verstehen und leben.

Wenn es um Änderungen der Reise, den Flug, an sich geht, auf dem wir uns befinden, dann können wir diese nur gemeinsam entwickeln. Mit von oben herab ex lege über das Hausgesetz wird es nicht gehen, auch wenn das manchmal als der einfachere Weg erscheint.

In diesem Sinne schließt kurz die Augen und denkt nach, und zwar nicht nur heute:

Was will ich noch wissen zu dem Thema?

Wo sehe ich mich oder wen anderen in der Zukunft?

Kann ich mir ein Amt vorstellen?

Soll ich einmal ein Seminar mitgestalten?

Was kann ich sonst für die Loge tun?

Wen oder was braucht es gerade?

Was wünsche ich mir von der Loge?

Wo muss ich mich selbst bei der Nase nehmen?

Was wünsche ich mir von meinen Geschwistern?

Will ich jetzt Co-Baustücke hören oder eine Diskussion mit vielen Meinungen erleben?