Die Zeit des Corona-Lockdowns bescherte manchen von uns – fernab des Homeoffices – viel freie Zeit. So auch für mich! Nachdem pflichterfüllend der Wohnungsputz erledigt und pflichtbewusst seit langem vorgenommene Bücher ausgelesen waren, der neue Hometrainer die erste Freude eingebüßt hatte, pflichtgemäß die Yoga-Matte aufgelegt worden war, kam das große Grübeln:
Was nun? Vielleicht doch wieder einmal – als selbstauferlegte Pflicht – zu malen? Nein, ich fühle mich nicht besonders inspiriert. – Also dann: hinein ins Internet!
Beim Stöbern und Herumsurfen tauchte u.a. auch das Textbuch der „Zauberflöte“ auf. Ich habe es nicht nur wieder einmal gelesen, sondern dabei auch mitgesungen, na ja, ging früher besser!
Was auffällt, dass Emanuel Schikaneder in seinem Libretto sehr oft das Wort „Pflicht“ verwendet – aber eigentlich logisch, waren er und Wolfgang Amadeus Mitglieder des Bundes Mozart zur damaligen Zeit aktiv, Schikaneder vermutlich von seiner Regensburger L.: gedeckt, aber dennoch der FM treu verbunden.
Durch die „Zauberflöte“ war ich nun wirklich inspiriert – inspiriert für eine Zeichnung.
Doch wie kamen beide – Librettist und Kompositeur – dazu, eine Oper reich an FM- Symbolik, aufgezeigten FM-Idealen und -Pflichten aufführen zu wollen?
Dass einige Jahre vorher der Hamburger Schauspieler, Theaterdirektor, Autor und Freimaurer, Friedrich Ludwig Schröder 1781 – 1785 am Wiener Burgtheater engagiert – mit dem Stück „Die FM“ reüssierte, ist wohl Zufall und nur am Rande erwähnt.
Am 20. Februar 1790 stirbt Kaiser Joseph II.; sein Bruder Leopold, Großherzog der Toskana, tritt die Nachfolge an. Für Leopold sind FM-L.: „gesellschaftliche Verbindungen und Cliquen zur gegenseitigen Unterstützung und als solche, wie andere Vereinigungen“. Leopold plant sogar, die FM zu verstaatlichen!Schikanader meinte dazu – aus Pflichtgefühl, oder?
„Meine Brüder und ich, also wir Wiener FM erkennen, dass wir ob dieser Einstellung dem neuen Kaiser unsere Ergebenheit demonstrieren müssen und wir uns unmissverständlich von allen anderen profanen Vereinigungen abzugrenzen haben, die sich gegen Kirche und Monarchie wenden. Beste Gelegenheit bieten die Bretter, die die Welt bedeuten – die Bühne“.
Mozart und Schikaneder hatten mit dieser Oper ein Ziel vor Augen, sie wollten dem Publikum „in Zeiten dräuender Gewalt und Not“ vor Augen führen, wie wichtig und wertvoll die Werte LIEBE und MENSCHLICHKEIT sind. – Offenbar doch FM–Pflicht!
Der vorangegangene Abschnitt ist sozusagen als Introduktion zum eigentlichen Thema zu verstehen, zum Thema „Pflicht“ – in der FM, im täglichen Leben und in der „Zauberflöte“. So lässt Schikaneder das Publikum durch seine Akteure/Sänger folgendes wissen:
SARASTRO (MvSt):
Tamino wandelte an der nördlichen Pforte unseres Tempels…
Diesen Tugendhaften zu bewachen, ihm freundschaftlich die Hand zu reichen, sei heute eine unserer wichtigsten Pflichten.
SARASTRO (MvSt) zum Sprecher (Redner):
… vollziehe dein heiliges Amt und lehre durch die Weisheit beide (Tamino und Pamina), was Pflicht der Menschheit sei…
Erster und zweiter Priester (Aufseher):
Bewahret euch vor Weibertücken,
dies ist des Bundes erste Pflicht;
manch weiser Mann ließ sich berücken,
er fehlte und versah sich’s nicht.
Verlassen sah er sich am Ende,
vergolten seine Treu’ mit Hohn! –
Vergebens rang er seine Hände,
Tod und Verzweiflung war sein Lohn.)
Die Königin der Nacht
erzählt Pamina von ihrem (verblichenen?) Vater und dessen (letzten?) Worten an sie, die KdN: „…deine Pflicht ist, dich und deine Tochter der weisen Führung weiser Männer zu überlassen.“ (Sarastro als dessen Nachfolger und seine Priesterschaft)
Tamino:
Sie ist ein Weib, hat Weibersinn!
Sei still, mein Wort sei dir genug,
denk deiner Pflicht, und handle klug.
SARASTRO (MvSt)
In diesen heil’gen Hallen
kennt man die Rache nicht!
Und ist ein Mensch gefallen,
führt Liebe ihn zur Pflicht.
…
Offensichtlich war den Brüdern des 18. Jahrhunderts das Thema „Pflicht“ wichtig, so sehr, dass es Eingang in die Opernliteratur fand! – Doch nicht nur dort; erinnern wir uns an Lessings „Narthan“ – auch hier ist z.B. in einem Gespräch zwischen Nathan und dem Tempelherrn ebenfalls vom Pflichtbewusstsein die Rede.
Nun gibt die „Zauberföte“ nicht immer genaue Antworten welche Pflichten gemeint sind! …dass sich Pamina, der weisen Führung weiser Männer überlassen muss; sich die Brüder vor Weibertücken pflichtgemäß zu bewahren haben, ist wohl der Denkungsart des 18. Jahrhunderts geschuldet.
Doch wie sieht es heutzutage „in Zeiten dräuender Gewalt und Not“ mit menschlichen Pflichten aus?
Beziehungsweise wie/wann ist der Terminus Pflicht und deren Ausübung in das Bewusstsein und Leben der Menschheit gelangt?
Dass der Mensch immer sehr auf seine Rechte gepocht und eingefordert hat, ist nachvollziehbar, doch dass er sich diese Rechte erst verdienen muss, war spätestens dann klar, als ihm bewusst geworden ist, dass er auch geben muss, um sich (s)ein Recht herausnehmen zu können. Sprich: „Er in die Pflicht genommen wurde“.
Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution schließlich zum denkenden, mit Vernunft behafteten Wesen entwickelt, sein Wollen und Wohl erkannt und damit einhergehend begriffen, dass ihm damit Verpflichtungen erwachsen, indem man Regeln ersonnen hat, um ein friktionsfreies Miteinander zu ermöglichen. Diese Regeln, Gesetze einzuhalten, war demnach also Pflicht.
Immanuel Kant stellt in seiner „Metaphysik der Sitten“ einen Ansatz vor, der im Prinzip Neigung und Pflicht stark voneinander abgrenzt. Dabei betont er, dass eine Handlung nur dann moralisch wertvoll sei, wenn sie aus Pflicht ausgeführt werde. Neigung hingegen keinen sittlichen Wert darstelle.
Friedrich Schiller hingegen schreibt in seinem Werk „Über Anmut und Würde“ von der Harmonie zwischen Pflicht und Neigung.
Dabei sieht sich die Menschheit oft in der Zwickmühle gefangen, zwischen beiden Prinzipien unterscheiden zu müssen: Lebe ich nach meiner Neigung – der einfachere und bequemere Weg – oder aber fühle ich mich zur Pflicht verpflichtet, die mir lästig und zwanghaft erscheint, oft mit Mühsal und Arbeit – nicht nur der an mir selbst -, sondern mit Aufwand, körperlichem und/oder geistigem Einsatz einhergeht. Hier kommt also ein angeborenes, anerzogenes oder erworbenes Pflichtgefühl mit ins Spiel. – Doch diese Entscheidung trägt jeder für sich selbst!
Aber es lässt sich sehr wohl zwischen von außen an uns herangetragenen, vielleicht oft unangenehmen, und den selbstauferlegten – mitunter auch freudvollen – Pflichten unterscheiden. Zum Beispiel Pflichten, die wir gerne übernehmen und ausfüllen.
Wie sieht es nun „in Zeiten dräuender Not“, wie wir sie eben erleben, mit unserem Pflichtgefühl, der Wahl zwischen Pflicht, Menschenliebe und Neigung aus? Leben wir die Liebe zu unserem Nächsten oder lässt uns das Leid, die Verzweiflung, die Not und der Tod Tausender Menschen wegsehen – lässt uns das alles unberührt?
Für einen Teil der Menschheit trifft das ganz gewiss zu: die Unwissenden, Ungebildeten, Einfältigen, Jugendliche, die sich um ihre „Bespaßung“ betrogen fühlen, die ganz Rechten, die Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, …
Nicht so – um beispielweise eine Gruppe zu erwähnen – für jene Menschen, die in Heil- und Pflegeberufen bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit ihre Pflicht erfüllen – im Dienste am Menschen!
Gerade und besonders für uns FM sind wir der Menschheit verpflichtet! So gesehen, bedeutet Pflicht auch, Verantwortung zu tragen – in der Welt, der Menschheit, dem Bund/der L.:, uns selbst gegenüber!
Erinnern wir uns noch an jene Ritual-Textstellen in der Eröffnung und am Ende der rituellen Arbeit?
MvSt Zweiter Aufseher, was ist Deine Pflicht vor Beginn der Arbeit?
und weiter: Erster Aufseher, was ist nunmehr Deine Pflicht?
Und am RA-Ende:
MvSt Ihr habt gehört, wozu wir berufen sind. Sei jeder eingedenk seiner Pflicht!
… und dies nicht nur im Tempel!
Auch in unserem „Bundeslied“ heißt es (W.A. Mozarts „Freimaurer-
musik [+ Musik der heutigen österreichischen Bundeshymne] ; Text von Emanuel Schikaneder) in der letzten Strophe:
„Tugend und die Menschheit ehren,
Sich und andere Liebe lehren, das sei uns’re erste Pflicht.
Dann strömt nicht allein im Osten,
Dann strömt nicht allein vom Westen,
Auch im Süd‘ und Norden Licht!“
Erinnern wir uns unserer Pflicht(en), erkennen und leben wir sie. Nehmen wir uns selbst nicht zu wichtig, stehen wir treu zu uns, unseren Maximen und unseren Mitgeschwistern, erfüllen wir also unsere Pflicht(en), indem wir tun, was wir tun müssen als Verantwortung, frei von Gedankenlosigkeit, Egoismus und Machtstreben!
Zum Abschluss möchte ich noch (m)ein Gedankenmuster mit auf den Weg geben:
Betrachtet man das deutsche Wort „Pflicht“ wertfrei, ist zu sehen, dass darin noch ein anderes Wort steckt, nämlich LICHT.
LICHT als übergeordneter Begriff stellt für mich die Emanation des alles durchdrin-genden geistigen Lichtes dar – das Licht der Fülle, der Heilung, der Vollkommenheit, das Licht der Liebe. Leben wir dieses Licht und geben es gedanklich/geistig an jene weiter, die es am Nötigsten brauchen. So gesehen, ist PFLICHT auch als Auftrag zu verstehen – als Auftrag an uns alle!