Was mich leitet? – Vom Suchen und Finden

Was mich leitet? – Vom Suchen und Finden

Meine Krankheit war ein erzwungener Anlass um inne zu halten, und ich nehme das ernst. Dieses Innehalten ist mit viel Rückblick verbunden, aber auch mit der Frage „Was nun“ – wie geht es weiter?

Ich habe bereits vor dem ersten Lockdown gemerkt, dass mir etwas zu viel wird. Das Hamsterrad, in dem ich mich befand, drehte sich schneller weiter als sonst. In der Familie und beruflich, in vielen Projekten bekam ich Bestätigung, neue positive Rückmeldungen und das steigerte die Drehzahl weiter. Das Weitermachen im eingeübten Modus bot Erfolg und Sicherheiten und dennoch verstärkte es die Abhängigkeiten, in denen ich subjektiv fest steckte.

Die Krankheit hat bestimmt etwas Schicksalhaftes, ich falle einfach in die Statistik, schließlich bekommt jede 8. Frau Brustkrebs. Sie zeigt aber auch, dass irgendetwas zu viel oder zu wenig in meinem Leben war.

Was ich mir als junge Frau wünschte, habe ich erreicht. Vielleich waren meine Wünsche und Träume bescheiden. Mein 18-jähriges Ich wäre doch beeindruckt davon, was ich erlebt habe und wie ich jetzt lebe.

Ich hatte keinen konkreten Berufswunsch und verfolgte keinen Karriereplan. Ich verfolgte innere Leitplanken, die den Weg wiesen und mir halfen zu merken, wenn ein Zug stehen geblieben ist, wo ich einsteigen konnte. Und überhaupt, dass ich am richtigen Bahnhof, am richtigen Gleis stand. Diese Intuition funktioniert am besten, wenn ich genug Zeit habe, allein oder mit vertrauten Menschen mit Muße Dinge zu tun und kontemplativ tätig zu sein. Im richtigen Zustand sind plötzlich Ideen, Verknüpfungen da und es ist glasklar, was ich zu tun habe.

In der Zukunft ist für mich wichtig, auf den Zügen, wo ich mitfahre, auf keinen Fall blinder Passagier zu sein, sondern die Möglichkeiten, die da sind, stärker zu nutzen und  mehr Verantwortung zu übernehmen.  Das braucht mehr Fokus und weniger Multitasking. In der Suche bin ich schon gut. Ich liebe die Suche schon seit eh und je. Das ist mit viel Sehnsucht verbunden.  Die Suche hält meine Augen offen.  Während ich suche, muss ich offen und wachsam sein, ich erlebe viel Neues und Schönes. Und finde häufig genau das, was ich gesucht habe, was mich mit Zufriedenheit erfüllt.

Der Begriff Suche impliziert jedoch einen Mangel: Ich glaube, dass es etwas zu finden gibt, durch das ich mich besser, heiler, kompletter fühlen kann. Suchen deutet auch auf eine Sucht hin, wir sind süchtig nach neuen Erfahrungen, Erfolg, nach einem neuen Kick. Wir glauben, dass uns das zu etwas Besonderen macht, zu etwas Ultimativen führen kann. Ist das so, oder ist jede Suche vergebens? Erfahrungen sind ja vergänglich.

 In der Zukunft will ich eher Picassos Motto folgen: Ich suche nicht -ich finde! Er hat gemeint, wenn man sucht, das ist ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen.  Etwas Neues zu finden heißt, dass ich etwas Unbekanntes finde, wonach ich gar nicht habe suchen können.  Im entscheidenden Moment weiß ich  doch, das ist das Richtige. Damit ist auch die  Ungewissheit verbunden, was vom Alten dazu passt oder losgelassen werden muss.   Es geht um das tiefe Vertrauen, dass es gut gehen wird. Finden ist somit vor allem eine Frage der inneren Haltung. Da liegt der Kern der tiefen Veränderung.

Manchmal geht das Finden leicht, in dem das Neue wie ein Schatz auf einem alten Misthaufen freigelegt werden kann. Manchmal braucht es aber mehr – einen mutigen Schritt oder einen mutigen Satz. Um etwas Neues zu finden, muss ich die Sprache finden für etwas, worüber ich sonst nicht spreche. Ohne Sprache ist kaum möglich, Neues zu denken.

Wenn ich auf der Suche bin, suche ich nach Dingen, die ich mir schon vorstellen kann. Richtig Neues finde ich, wenn ich aufhöre zu suchen.

Wie passt es mit dem Anspruch der Freimaurer zusammen, ein ewiger Suchende zu bleiben? Ist das nur Wortklauberei oder ist da ein substanzieller Unterschied oder sogar ein Widerspruch?  Im Begriff des Suchenden und darin, sich für einen ewig Suchenden zu halten, liegt Demut und Bescheidenheit. Der Anspruch ewig Suchender zu bleiben, ist eine Abgrenzung denen gegenüber, die sich schon im Besitz der Wahrheit wähnen und diese denen, die sich noch herumirren, auch gerne erklären.

Es gibt nichts zu finden, so lehrt es uns die Weisheit des Yoga, denn das was ich suche bin ich selbst, also ich bin bereits das, was ich zu entbehren scheine. Ich richte den Blick auf etwas Neues, Spektakuläres, Äußeres, statt zu erkunden, was bereits da ist und nach innen zu schauen bzw. zu ergründen, wer es ist, der da schaut. Wenn ich mich selbst als Suchenden betrachte, kann ich ewig suchen, denn es gibt unendlich Vieles zu entdecken. Wenn ich suche, gehe ich davon aus, dass es etwas außerhalb meines Selbst  gibt, was mich erfüllen kann – aber das ist ein Trugschluss. Diese Suche bedeutet eine innere Trennung zwischen sich selbst und der Welt. Wenn man diese Trennung aufgibt, kann man finden. Suchen kann nicht zu einer Erlösung führen, denn die Freiheit liegt in der Erkenntnis der Einheit, also dem Wissen, dass es keine Trennung gibt zwischen dem Suchenden und dem Gesuchten. Der Suchende und das Gesuchte sind eins. Die Welt erscheint in uns und nicht umgekehrt. In dir, in deinem Wesen, in deinem Tun und Lassen spiegelt sich das Wesen der Welt.

Salopp gesagt: Wir finden nur die selbst versteckten Ostereier. Das Geheimnis der FM ist, dass für jeden bloß der Geist darin liegt, den er selbst hineinzulegen vermag.