Eine Auseinandersetzung mit Menschen, deren übersteigertes Mitteilungs-Bedürfnis, ihre zwangsbeglückten, naturgemäß schweigenden Zuhörer sehr oft unduldsam werden lässt, verbunden mit der Erkenntnis, wie wenig diese Menschen dazu gelernt – sich nicht selbst erkannt haben.
Mein Weltbild räumt der Mitmenschlichkeit, der Menschenliebe großen Raum ein, so dass ich mir gerade deshalb diese Kontroverse gestatte!
Liebe Srr und Brr, dies ist ein Thema, das mir seit langem auf der Seele brennt und das mich an so mancher „Freundschaft“ zweifeln lässt. Ich empfinde in den folgenden Ausführungen nicht nur wenig Achtung und Wertschätzung vieler Gesprächspartner ihrem Zuhörer gegenüber, sondern Missbrauch und verbale Ausnutzung.
Miteinander reden ist ein wichtiges Mittel zwischenmenschlicher Kom-munikation; doch was, wenn immer nur einer redet? Dann hat dies mit Kommunikation wenig zu tun – es gibt keinen Austausch, sondern Monolog statt Dialog.
Ihr kennt sie sicher, jene Mitbürger, Freunde, Bekannte, deren konzentrisches Weltbild nur einen Mittelpunkt kennt – nämlich sich selbst als „Nabel der Welt“!
Ich verstehe schon, dass jeder das Bedürfnis hat, sich mitzuteilen, über Eindrücke, Erlebnisse, Sachverhalte, die berühren, zu reflektieren. Die Kunst dabei ist, nicht das Maß zu verlieren und zum rechten Zeitpunkt schweigen zu können. Dies meine ich, stünde manchem oft besser an; doch ein übertriebenes Geltungsbedürfnis und/oder zwanghaftes, fast könnte man meinen pathologisches Redebedürfnis lassen dies auf keinen Fall zu.
Was soll damit kompensiert werden? Die Angst, übersehen, nicht beachtet zu werden? Oft tagelang mit niemandem ein Wort gewechselt zu haben?
Sich unbedingt ständig in Szene setzen zu wollen?
Den Kopf voll zu haben mit vielerlei Gedanken, Ideen, Erkenntnissen, um Raum zu schaffen – Ungesagtes unbedingt das Licht der Welt erblicken zu lassen?
Oder etwa ein Kindheitstrauma?
Ich erinnere mich noch der antiquierten Erziehungsmethoden, wenn in früherer Zeit – zumindest in meiner Jugend war das so – ein Kind in Gesellschaft Erwachsener etwas sagen wollte, dass es hieß: „Sei still, Du redest nur dann, wenn Du gefragt wirst“. Ist es das, was vielen Menschen nachhängt?
Sind dies all die Ursachen, warum immer mehr erwachsene Menschen zu Unternehmern geworden sind? Solchen, die Kleinst-Unternehmen in Form von Aktiengesellschaften vorstehen, also einem in einer einzigen Person vereinig-ten Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden der Ich-AG!
Natürlich darf und soll jeder sein Ego pflegen, doch nicht immer zu Lasten anderer Ichs!
Dabei sind allerdings Empathie und Fingerspitzengefühl oder besser gesagt Stimmritzengefühl gefragt. Auch diese Eigenschaften ließen sich pflegen, wäre das Ego nicht allzu mächtig. So hat meist nur eines Bedeutung – das eigene Ich!
Worüber die Ich-AG spricht, hat jeden zu interessieren; und um es überspitzt zu formulieren, selbst der Stuhlgang zum Dauerbrenner wird.
Eine Übung in Geduld und Durchhaltevermögen ist gefordert, wird diese Schilderung auch noch langatmig dargeboten, kein Detail ausgelassen und bereits in biblischer Zeit ihren Anfang nimmt – nämlich bei Adam und Eva. Das eigentliche Thema verliert sich, der Kern der Erzählung wird oft vergessen.
So zeichne ich vermutlich für viele von uns ein vertrautes Bild der Selbstdar-steller, ohne Punkt und Komma Redenden, ja, nicht einmal Luft holend Ratschenden.
Lt. Österreichischem Wörterbuch ist eine „Ratschen“/ein „Ratscher“ jemand, der gedankenlos viel, schnell und ausdruckslos redet; und nach meiner Wahrnehmung dabei auch oft in eine Art Singsang verfällt.
Doch steht dies alles nicht allein, sondern der Dauerratscher ist noch dazu bemüht, ständig dem nach langem „Rede-Beschuss“ genervten, „wortver-gewaltigten“ Zuhörer das Wort abzuschneiden, sollte der sich erlauben, zwischendurch etwas einwenden zu wollen. Dies halte ich – neben dem unablässigen „Schwafeln“ – für ungebührliches und schlechtes Benehmen von Ichs, die selbst nicht zuhören können, es aber von ihrem Gegenüber sehr wohl erwarten!
Wenn dann, nach stundenlangem Wasserfall-Reden, zu hören ist: „Du sprichst ja heute gar nichts?“, ist der Geduldsfaden knapp vor dem Reißen.
„Wann denn? – Nur singen können wir gemeinsam“!
Haben wir uns endlich doch einen halben Satz erkämpft, dann heißt es, schnell zu reden, weil die Ungeduld des Gegenübers spürbar erkennen lässt, wieder zu Wort kommen zu müssen.
Der schon leicht grantige Hinweis: „Merke dir, was du sagen willst, aber lasse mich bitte ausreden und falle mir nicht ständig ins Wort“, ist lediglich ein Schuss in den Ofen.
Wenn der Ich-AG erstaunlicherweise gar nichts mehr einfallen sollte, kommt entweder das Wetter ins Gespräch oder ein anderes banales Thema.
Angesprochen auf den Vorwurf im Freundeskreis, zwei Stunden lang ununterbrochen von sich geredet und den bereits in Resignation verfallenen Zuhörern nicht die kleinste Chance geboten zu haben, auch etwas beizutragen oder loszuwerden, folgte als Antwort des Dauerredners lediglich: „Das habe ich gar nicht bemerkt“! –
Soweit zum Profanen, zu Erlebnissen im eigenen privaten Umfeld, und im Vertrauen gesagt, ich habe mir von dem Erzählten rein gar nichts gemerkt!
Fazit: So wünsche ich mir sowohl im Profanen als auch in unserem Kreis, dass jeder eingedenk sei seiner … nein, diesmal nicht Pflicht, oder doch? …, also seiner Verantwortung, des Respekts und der Achtung im Umgang mit anderen!
Verhalten wir uns so, wie wir erwarten, gehört zu werden, nämlich aufmerk-sam. Geben wir unserem Gegenüber rechtzeitig die Gelegenheit zum Nachdenken, das Gehörte zu „verdauen“ und lassen wir zu, selbst aufmerksam und wertschätzend zuzuhören.
Vergessen wir unsere Ichs, denn nur gemeinsam, in der Vielfalt vieler Ichs, können wir das sein, was uns miteinander verbindet – wahre Maurer, wahre Menschen!
Soweit zur Ich-AG, doch dem Titel des BS bis jetzt noch immer nicht ganz gerecht geworden zu sein, nämlich dem Schweigen.
Wie auch, bedeutet Schweigen still, wortlos zu sein. Im rechten Augenblick schweigen zu können!
Wikipedia & Co. zum Beispiel bieten umfangreiche Informationen über die Bedeutung des Wortes Schweigen mit dessen Synonymen – für Profane! Wie beredtes Schweigen, missbilligendes Schweigen uvm.
Spirituell Fortgeschrittene jedoch, also jenen, die in der Oberflächlichkeit des Alltags/der Welt wenig oder keinen Sinn sehen, begeben sich auf die Suche – sie verlangen Antworten. Wo sind sie zu finden? – In der Stille, im Schweigen!
So stehen unsere Existenz – also unser Da-Sein im wahrsten Sinne des Wortes –, des hier auf dieser Erde inkarniert Seins und das Erkennen dieses Seins in enger Verbindung mit dem SCHWEIGEN!
Schweigend inne zu halten, zur Ruhe zu kommen, mit den inneren Ohren hörend und der inneren Stimme Zeit und Raum zu schaffen, um dem meditativen, verinnerlichten und kontemplativen Schweigen die Tür zu öffnen zu sich selbst, um der Kontaktaufnahme mit dem wahren Selbst/dem inneren Tempel Platz einzuräumen zur eigenen Entwicklung und zur Erkenntnis!
Erkenne Dich selbst!
„Obwohl die Ströme der Worte
uns unablässig überschwemmen,
in den Tiefen unseres Ich
herrscht das Schweigen auf immer.
Khalil Gibran
Der Schritt vom Schweigen zur Verschwiegenheit ist nur ein kurzer, für uns FM nicht nur Tugend, sondern ebenso Verpflichtung:
„Eine der wichtigsten Tugenden im gesellschaftlichen Leben und die wirklich täglich seltener wird, ist die Verschwiegenheit. Man ist heutzutage so äußerst trügerisch in Versprechungen, ja in Beteuerungen und Schwüren, dass man ohne Scheu ein unter dem Siegel des Stillschweigens uns anvertrautes Geheimnis gewissenloserweise ausbreitet. Andre Menschen, die weniger pflichtvergessen, aber höchst leichtsinnig sind, können ihrer Redseligkeit keinen Zaum anlegen. Sie vergessen, dass man sie gebeten hat zu schweigen, und so erzählen sie, aus unverzeihlicher Unvorsichtigkeit, die wichtigsten Geheimnisse ihrer Freunde an öffentlichen Wirtstafeln.“ …
meint Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge: „Über den Umgang mit Menschen“ (1788)
Gedenken wir unseres Gelöbnisses zur Verschwiegenheit bei unserer Aufnahme oder an die immer wiederkehrende Aufforderung des MvSt nach der Arbeit:
„Ehe wir auseinandergehen, wollen wir unser Gelöbnis erneuern, die maurerische Tugend der Verschwiegenheit zu üben und Menschlichkeit und Brüderlichkeit walten zu lassen – so wie hier drinnen durch das Wort, im Leben durch die Tat“.
Und Br. Goethes einfacher Reim bringt es auf den Punkt:
Niemand soll und wird es schauen,
Was einander wir vertraut.
Denn auf Schweigen und Vertrauen
Ist der Tempel aufgebaut.
So ist auch das Wort ein weiterer wichtiger Baustein unseres Bundes – das Wort im Sinne von Sprache. Unverzichtbar im konstruktiven Miteinander, genauso, wie die gemeinsame Tempelarbeit, worin wir uns der Sprache bedienen, um uns mit dem Ritual zu verbinden und somit die Sprache Zugang zu dessen tieferer Bedeutung schafft.
Eingedenk unliebsamer und immer wiederkehrender Begegnungen mit Dauerrednern, halte ich es für heute so, wie der österreichische Beamte in der k. k. Hofkammer und Dramatiker Franz Seraphicus Grillparzer in „König Ottokars Glück und Ende“ im „Loblied auf Österreich“:
„…da tritt der Österreicher hin vor jeden, denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!“